Deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen

Stefan Riße · Uhr

Grundsätzlich stehen derzeit alle Volkswirtschaften vor großen Herausforderungen. Der Kampf gegen den Klimawandel wird ein riesiger Kraftakt, das hat der Gipfel in Glasgow nochmals deutlich gezeigt. Doch die deutsche Wirtschaft und das deutsche Wirtschaftsmodell stehen noch vor anderen spezifischen Herausforderungen. Bekanntermaßen ist keine Volkswirtschaft dieser Welt so abhängig vom Export wie die heimische. Und wer sich ein wenig mit der wirtschaftlichen Entwicklung auseinandersetzt, der weiß auch, dass das Wachstum in den vergangenen Jahren vor allem von China getragen wurde. Hierhin verkaufte die deutsche Automobilindustrie, der deutsche Maschinenbau und auch Chemieunternehmen wie BASF einen immer größeren Teil ihrer Produkte. Oft waren damit hohe Gewinnmargen verbunden, wie beispielsweise mit Autos der Luxusklasse.

Chinas Wachstum könnte schwächeln

Nun droht aber das immerwährende hohe Wachstum in China zu schwächeln. Grund hierfür ist die Verunsicherung am Wohnimmobilienmarkt. Viele Immobilienentwickler – der prominenteste ist Evergrande – haben Probleme. Dies liegt daran, dass die chinesische Regierung den Wildwuchs und die Spekulation in diesem Bereich begrenzen will. So hat sie in Bezug auf die Verschuldung dieser Unternehmen schärfere Regeln eingeführt, was umgehend dazu geführt hat, dass viele von ihnen ins Straucheln geraten sind. Wohnungskäufer, die bereits Anzahlungen geleistet haben, zittern um ihr Geld. Das verunsichert natürlich neue Käufer, und so gingen die Aufträge für neue Wohnungen bereits deutlich zurück. Diese Tatsache ist deshalb so relevant, weil ein Großteil der Wirtschaftsleistung in China seit jeher von der Bauindustrie stammt. Evergrande wird kein zweites Lehman, da muss sich niemand sorgen, weil der Großteil der Schulden im Inland liegt und der Staat dies sicher vermeiden wird. Aber das Wachstum könnte zurückgehen. Dementsprechend könnte auch die Nachfrage in Richtung „Made in Germany“ zurückgehen. Die jüngsten Im- und Exportzahlen Chinas bestätigen dies bereits.

China möchte in Zukunft alles selbst machen

Dazu kommt noch eine andere beunruhigende Tatsache, die sehr langfristig keine rosigen Aussichten für die deutsche Industrie verspricht. Die Chinesen wollen selbst in allen technologischen Feldern zukünftig führen werden. Erst waren sie Auftragsfertiger, dann haben Sie unsere Produkte kopiert, und zukünftig wollen sie selbst die besten Produkte der Welt herstellen. Und sie sind diesbezüglich auf einem guten Weg und der Wandel zur E-Mobilität gibt Ihnen die große Chance, in dieser wichtigen Branche diesen Umbruch zur Führungsübernahme zu nutzen. Was machte deutsche Autos immer so attraktiv? Natürlich der Verbrennungsmotor und ausgefeilte Getriebe. Doch dieses Feld, in dem wir über 100 Jahre führend die Entwicklung vorangetrieben haben, braucht dann bald keiner mehr. Und wer glaubt im Ernst, dass die Attraktivität deutscher Autos noch genauso hoch ist, wenn diese mit Elektromotoren ausgeliefert werden? China selbst hat diverse E-Autohersteller aus dem Boden gestampft und sie produzieren heute schon mehr E-Autos als jede andere Nation der Welt. Die Tendenz zum „wir machen‘s selbst“ zeigte sich auch in der Tatsache, dass man die Idee, in China mit dem Corona-Impfstoff von Biontech zu impfen, wieder verworfen hat. Stattdessen soll ein eigener Impfstoff eingesetzt werden.

Der DAX bleibt weiter risikoreich

Für chinesische Aktien wäre eine Abschwächung der Wirtschaft sehr wohltuend. Dann könnte die Notenbank den Geldhahn aufdrehen und es gebe wieder Überschussliquidität, die in die Aktienmärkte fließen könnte. Derzeit fehlt diese, und deshalb steigen die Kurse trotz guter Unternehmensergebnisse nicht. Der DAX kann im Zuge einer Jahresendrallye – ich habe sie hier ja vor einem Monat prognostiziert – natürlich noch weiterlaufen. Vergleicht man seine Entwicklung aber

mal langfristig mit anderen Indizes wie dem MSCI World oder dem S&P 500, ist die Performance sehr dürftig. Das lag im Wesentlichen an den Versorgern, den Banken, zuletzt den Automobilen und auch Bayer. Wer also auf Aktien setzte und glaubte, er lege diversifiziert an, wenn er einen DAX-ETF kaufe, der darf sich ärgern. Denn außer den Dividenden war der Zuwachs sehr mäßig. Dass dies auch in Zukunft so sein könnte, dafür sprechen die genannte deutsche Abhängigkeit von China und die Risiken, die von hier drohen. Es bleibt deshalb weiter ratsam, mit einem sehr internationalen Fokus zu investieren, selbst wenn einem die deutschen, großen Aktien naheliegender erscheinen. Wahrscheinlich sollte man Titel mit starker China-Abhängigkeit sogar untergewichten. Das gilt dann allerdings nicht nur für deutsche Titel, sondern auch beispielsweise für Aktien von Luxusgüterherstellern, die ebenfalls in den vergangenen Jahren massiv vom Boom in China profitiert haben.

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