Markt-Update: Stabilisierung, doch Unsicherheit bleibt hoch - Henkel mit Bodenbildungsversuch, Holcim gefragt, Zur Rose im Keller

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Europas wichtigste Aktienmärkte haben sich am Dienstag stabilisiert. Die steigenden US-Futures lieferten Rückenwind. Der EuroStoxx 50 stieg am späten Vormittag um 1,5 Prozent auf 3579,24 Zähler. Der Pariser Leitindex Cac 40 kletterte um 1,2 Prozent auf 6155,75 Punkte. Für den Londoner FTSE 100 ging es um 0,8 Prozent auf 7275,25 Punkte nach oben. Gegen Mittag gewann der deutsche Leitindex 1,73 Prozent auf 13 612 Punkte. Der MDax der mittelgroßen Börsentitel legte um 0,93 Prozent auf 28 074 Zähler zu.

Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect begründete die Gegenbewegung mit der stark überverkauften Situation. Die Abwärtsdynamik sei zuletzt "zu heftig" gewesen, sodass es nun zu selektiven Käufen komme. "Von einer Erholung des Gesamtmarktes kann noch keine Rede sein", warnte Lipkow.

Chance auf Bodenbildung?

Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets verwies auch auf die Beruhigung am US-Anleihemarkt. "Gestern stieg die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe zunächst über die Marke von 3,2 Prozent, gab dann aber wieder nach", so Molnar. "Kann der Zinsanstieg auch in den kommenden Tagen gebremst werden, besteht die Chance auf eine Bodenbildung vor allem bei den stark überverkauften Technologiewerten, was auch den Gesamtmarkt stabilisieren dürfte."

Neben Quartalszahlen von Unternehmen standen am Vormittag in Deutschland die ZEW-Konjunkturerwartungen auf der Agenda. Die befragten Finanzmarktanalysten sähen die Situation nicht mehr ganz so trüb wie in den vergangenen zwei Monaten, schrieb Chef-Volkswirt Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank. Trotz der Verbesserung bleibe die Skepsis aber groß.

Rheinmetall weiten Rückschlag vom Rekordhoch aus

Aktien von Rheinmetall haben ihre Korrektur der vorherigen Rekordrally am Dienstag fortgesetzt. Die Papiere des aktuell vor allem mit dem Rüstungsgeschäft im Fokus stehenden Konzerns rutschten mit minus 6 Prozent unter ihre 50-Tage-Linie, die den mittelfristigen Trend anzeigt. Im laufenden Jahr hatten Rheinmetall-Anteile zeitweise fast 171 Prozent gewonnen, kräftig angetrieben von der Zeitenwende in der Verteidigungspolitik durch den Ukraine-Krieg.

Seit dem Rekordhoch Ende April bei 225 Euro ging es inzwischen aber wieder um 22 Prozent abwärts. Im Mai wurden bereits einige Experten zurückhaltender für Rheinmetall. Am Dienstag gesellten sich nun Warburg und Metzler hinzu. So strich Warburg-Experte Christian Cohrs aufgrund fehlenden Kursspielraums seine Kaufempfehlung. Sein Kursziel reduzierte er zuvor aufgrund des Umfelds steigender Zinsen auf 199 Euro. Die Metzler-Analysten nahmen die Aktien derweil aus ihrer "German Top Ten"-Empfehlungsliste heraus. Ein Bericht, wonach die ersten instandgesetzten Schützenpanzer vom Typ Marder in drei Wochen lieferbar seien, spielte für den Kurs keine größere Rolle.

Henkel mit Bodenbildungsversuch - Analysten zurückhaltend

Bei Henkel versuchen Anleger auf dem tiefsten Kursniveau seit 2012 ihr Glück. Die Papiere der Düsseldorfer kletterten am Dienstag um 4 Prozent auf 63,92 Euro. Nachdem sie Ende April mit 56,56 Euro noch so wenig gekostet hatten, wie seit fast zehn Jahren nicht mehr, befinden sich die Anteilsscheine des Konsumgüterkonzerns aktuell im Bodenbildungsversuch. Analysten sehen in zahlreichen aktuellen Studien allerdings zunächst kaum Spielraum nach oben. Sie signalisieren aber auch keine Rückschlagsrisiken mehr.

Expertin Pinar Ergun von Morgan Stanley spricht auch mit Blick auf die Ergebnisentwicklung von einer "verlorenen Dekade". Aufgrund "historischer Fehlschritte" und herausforderndem Umfeld werde man 2022 beim Ergebnis je Aktie nämlich voraussichtlich unter dem Niveau von vor zehn Jahren landen. Und Ergun hat kaum Hoffnung, dass dies schon das Ende bedeutet, sieht allerdings die Aktienbewertung inzwischen als Puffer nach unten. Ihr Kursziel liegt bei reduzierten 62 Euro.

Zalando mit Stabilisierung am Zweijahrestief

Mit Zalando haben sich am Dienstag die Papiere des zweitschwächsten Dax -Wertes des laufenden Jahres im Leitindex deutlich stabilisiert. Die Aktien des Onlinehändlers gewannen 4,5 Prozent auf 33,35 Euro. Am Freitag waren sie mit 30,89 Euro noch auf dem tiefsten Niveau seit zwei Jahren gelandet und hatten 2022 damit über 56 Prozent verloren.

Schlechter stehen nur Delivery Hero mit einem Verlust von rund zwei Dritteln da. Dabei sind sich die Experten bei Zalando fast einig, dass der starke Kursrutsch zumindest deutlich eingedämmt werden kann. Optimisten liegen mit ihren Kurszielen sogar deutlich über dem Niveau von rund 71 Euro zum Ende 2021.

Holcim gefragt

In der Spitzengruppe des Feldes lagen die volatilen Autowerte. Sie erholten sich damit von den Abgaben am Vortag. Noch besser entwickelten sich die Bauwerte. Hier zogen Holcim um 3,2 Prozent an. Die indische Tochter ist laut einem Medienbericht im Visier der JSW Group. Das Stahl- und Energiekonglomerat des indischen Industriellen Sajjan Jindal will demzufolge ein Kaufangebot in der Höhe von 7 Milliarden US-Dollar für das Indien-Geschäft von Holcim vorlegen.

Ölwerte unter Druck

Leichter tendierten dagegen die Ölwerte, nachdem sich die Korrektur der Ölpreise vom Vortag fortgesetzt hatte. "Die kräftige Senkung der offiziellen Verkaufspreise für asiatische Abnehmer durch Saudi-Arabien wurde von einigen Marktteilnehmern offenbar als Anzeichen einer schwächeren Ölnachfrage interpretiert", merkte Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank an. Die strikte Null-Covid-Strategie in China hemme die dortige Ölnachfrage.

Swedish Match mit Kurssprung

Zu deutlichen Kursveränderungen kam es bei kleineren Werten. Aktien von Swedish Match sprangen um über 23 Prozent nach oben. Laut dem "Wall Street Journal" hätten sowohl der schwedische Tabak- und Zündholzhersteller als auch Philip Morris International Gespräche über eine Übernahme durch die Amerikaner bestätigt, schrieb Analyst Jared Dinges von JPMorgan. Er bezifferte die Wahrscheinlichkeit, dass die Transaktion über die Bühne geht, auf mindestens 50 Prozent.

Zur Rose im Keller

Die Aktien der Versandapotheke Zur Rose brachen dagegen um 10,7 Prozent ein. Nach einem Bericht einer Branchenzeitschrift wurde bei der geplanten Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland weiterhin kein konkreter Fahrplan beschlossen.

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