US-Notenbank: Das Dilemma der Fed wird nicht besser - Powell schließt Rezession nicht aus - SocGen-Analysten sehen weiteres Abwärtspotenzial für die Märkte

onvista · Uhr
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Derzeit zentriert sich an den Finanzmärkten alles auf die Aktionen der Notenbanken – besonders die US-Notenbank Federal Reserve hat mit ihren geldpolitischen Entscheidungen das Ruder für den weiteren Kurs der weltweiten Märkte momentan fest in der Hand. Während der gestern stattgefundenen, halbjährlichen Anhörung im US-Kongress konnte Fed-Chef Jerome Powell jedoch nur für wenig Beruhigung sorgen, denn die Zwickmühle, in der die Notenbank steckt, bleibt eklatant.

Der Kampf gegen die grassierende Inflation bleibe oberste Priorität, so das Kern-Statement des Vorsitzenden gegenüber dem Kongress. "Es ist wichtig, dass wir die Inflation herunterbringen, wenn wir eine anhaltende Phase starker Arbeitsmarktbedingungen haben wollen, die allen zugutekommt", sagte er im Bankenausschuss des Senats. Das Ziel sei, die Inflation auf zwei Prozent zu drücken, während der Arbeitsmarkt stark bleibe. Die Notenbank wolle die Inflation senken, ohne eine Rezession auszulösen. "Wir tun, was wir können," sagte Powell.

Powell schließt Rezession nicht aus

Jedoch ist die Möglichkeit einer „sanften Landung“ für die Wirtschaft mittlerweile alles andere als sicher und das wird auch anhand der geänderten Kommunikation von Powell deutlich. Trotz der Stärke der US-Wirtschaft sei eine Rezession ein Szenario. „Es ist sicherlich eine Möglichkeit“, sagte er. „Das ist überhaupt nicht unser beabsichtigtes Ergebnis, aber es ist sicherlich eine Möglichkeit, und ehrlich gesagt haben es die Ereignisse der letzten Monate auf der ganzen Welt für uns schwieriger gemacht, das zu erreichen, was wir wollen, nämlich 2 Prozent Inflation und immer noch einen starken Arbeitsmarkt."

Es werde schwierig sein, eine „weiche Landung“ zu erreichen, bei der die Politik ohne schwerwiegende wirtschaftliche Umstände wie eine Rezession straffer wird, fügte er hinzu. „Das ist unser Ziel. Es wird sehr herausfordernd. Es ist durch die Ereignisse der letzten Monate deutlich herausfordernder geworden, wenn man hier an den Krieg und die Rohstoffpreise und weitere Probleme mit den Lieferketten denkt.“ sagte Powell. „Die Frage, ob uns dies gelingen wird, wird zu einem gewissen Grad von Faktoren abhängen, die wir nicht kontrollieren.“

„Wollen Wachstum und Nachfrage verlangsamen“

Dem Fed-Chef zufolge hängt die Geschwindigkeit der weiteren geldpolitischen Schritte von den Konjunkturdaten und von den wirtschaftlichen Aussichten ab. Die Inflation habe offensichtlich, was die Stärke angehe, überrascht und es könnten weitere Überraschungen anstehen. Die Währungshüter müssten auf die Daten und die sich verändernden Aussichten stets flink reagieren. Powell sagte in der Anhörung aber auch: "Die amerikanische Wirtschaft ist sehr stark und gut positioniert, um mit einer strafferen Geldpolitik fertig zu werden." Das Bankensystem sei sehr stark, gut kapitalisiert und sehr liquide.

Die Notenbank werde in den kommenden Monaten danach schauen, ob es überzeugende Beweise dafür gebe, dass der Preisdruck nachlasse, sagte der Fed-Chef. "Wir wollen das Wachstum der Nachfrage verlangsamen," sagte er. In den USA betreffe die Inflation mehr als in anderen Ländern die Nachfrage. "Ich weiß, höhere Zinsen sind schmerzhaft", so Powell. Dies sei aber das Werkzeug, um die Nachfrage zu mäßigen und Angebot und Nachfrage wieder in eine Balance zu bringen. Noch schmerzhafter sei es, wenn zugelassen werde, dass die hohe Inflation anhalte.

„Aggressive Zinserhöhungen dürften notwendig bleiben“

Die Äußerungen des Fed-Chefs und die jüngsten Finanzmarktturbulenzen verdeutlichten, dass die Aufgabe der Fed nicht einfacher werde, kommentierte Elmar Völker, Analyst bei der LBBW die Anhörung von Powell. "Relativ aggressive Zinserhöhungen, wie sie die Fed vor Wochenfrist vollzogen hat, dürften vorerst weiter notwendig bleiben, um Wirtschafts- und Finanzmarktakteuren gegenüber Entschlossenheit bei der Inflationsbekämpfung zu demonstrieren", führte er aus. Powell wird am Donnerstag auch im Finanzdienstleistungsauschuss des Repräsentantenhauses befragt werden.

SocGen sieht weiteres Abwärtspotenzial

Angesichts der Sackgasse, in der sich die Fed derzeit befindet, rechnen Analysten der Bank Societe Generale mit weiterem Abwärtspotenzial für die Märkte. „Wir hatten und haben immer noch für 2022 eine Mentalität der Risikominderung, Defensive und Herabstufung, da Zinserhöhungen der Fed im aktuellen Abschwung Kollateralschäden verursachen dürften, was uns dazu veranlasst, eine rückläufige Haltung gegenüber US-Verbraucher-, Finanz- und Kleinanlegern einzunehmen“, sagte Manish Kabra, Leiter der Abteilung für US-Aktien der Societe Generale, in einer Mitteilung vom Dienstag. „Aber der engagierte Kampf gegen die Inflation wird voraussichtlich einen Dominoeffekt auslösen, und die Immobilien- und Kreditmärkte sehen wie die nächsten Dominosteine ​​aus, die umkippen könnten.“

Wenn die Fed die Preise nicht in den Griff bekommt, könnte ein Inflationsschock im Stil der 1970er Jahre, gefolgt von einer Rezession, den S&P 500 um weitere 33 Prozent von seinem aktuellen Niveau auf 2.525 fallen lassen, so das Fazit der Bank. Bei einem derzeitigen Rückgang von 24 Prozent seit Jahresbeginn in Relation mit einem durchschnittlichen Rückgang während einer Rezession um 33 Prozent haben die Märkte laut der SocGen ein Rezessionsszenario erst zu gut 70 Prozent eingepreist. Das lässt weiteren Spielraum bis zu einem Niveau von 3.200 Punkten, um eine typische Rezession angemessen einzupreisen.

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