Sorgenfalten bei Managern werden größer - "Rezessionspuffer schrumpft"

Reuters · Uhr

- von Rene Wagner und Frank Siebelt

Berlin (Reuters) - Gasknappheit, Inflation, Materialengpässe: Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Juni wegen einer Vielzahl von Risiken unerwartet deutlich eingetrübt.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel nach zuvor zwei Anstiegen in Folge um 0,7 auf 92,3 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Mini-Rückgang auf 92,9 Punkte erwartet. "Steigende Energiepreise und die drohende Gasknappheit bereiten der deutschen Wirtschaft große Sorgen", erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest den Abwärtstrend. Die Führungskräfte äußerten sich zu ihrer Geschäftslage etwas und zu den Aussichten für die kommenden sechs Monate deutlich skeptischer als zuletzt.

"Trotz erhöhter Unsicherheit zeichnet sich im Moment noch keine Rezession ab", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings müssen sich die Unternehmen auf ein schwaches zweites Halbjahr einstellen. "Der Rezessionspuffer ist nur noch gering", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Das Rezessionsrisiko für 2022 liegt bei 40 Prozent."

"LABILE LAGE"

Dass der wichtigste Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft moderat gefallen ist, hat vor allem einen Grund: Die befragten Unternehmen antworteten, bevor Russland seine Gaslieferungen deutlich eingeschränkt hat. "Tatsächlich ist die konjunkturelle Situation labil", warnte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Zum einen könnte es nach einer weiteren Reduzierung der russischen Gaslieferungen zu einer folgenschweren Rationierung von Gas in der Industrie kommen. Zum anderen dürften die massiven Zinserhöhungen der US-Notenbank im kommenden Jahr eine Rezession auslösen." Die USA sind der wichtigste deutsche Exportkunde.

Vor allem in Handel und Industrie hat sich die Stimmung merklich eingetrübt. "Insbesondere die chemische Industrie ist höchst beunruhigt", sagte Fuest mit Blick auf die Gasversorgung, auf die diese Branche besonders angewiesen ist und für die Wirtschaftsminister Robert Habeck die zweite Stufe das Notfallplans ausgerufen hat. Am Bau und bei den Dienstleistern hat sich die Stimmung dagegen aufgehellt, bei letzteren vor allem wegen der Corona-Lockerungen. "Besonders das Gastgewerbe setzt auf einen guten Sommer", sagte Ifo-Experte Wohlrabe.

Der russische Einmarsch in die Ukraine sorgt für steigende Rohstoffpreise, zunehmende Lieferengpässe und erhöhte Unsicherheit bei Firmen und Verbrauchern. Das Ifo-Institut hat deshalb gerade erst seine Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr gesenkt - und zwar von 3,1 auf 2,5 Prozent. Im kommenden Jahr soll sich das Wachstum dann auf 3,7 Prozent beschleunigen.

Allerdings befürchten Ökonomen bei ausbleibenden russischen Gaslieferungen eine schwere Rezession im Winter. "Die Lage auf dem Gasmarkt ist bedrohlich", sagte der Regierungsberater und Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Jens Südekum. "Es drohen dann eine Rationierung des Gasbezugs und damit Produktionsstopps in der Industrie. Eine schwere Rezession könnte die Folge sein."

(Bericht von Rene Wagner, Redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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