Gaspreisexplosion - Bund verstaatlicht Energieriesen Uniper

Reuters · Uhr

- von Tom Käckenhoff und Christian Kraemer und Markus Wacket

Düsseldorf/Berlin/Helsinki (Reuters) - Die Bundesregierung zieht angesichts immer neuer Milliardenverluste beim Energieriesen Uniper die Reißleine und stellt den Konzern unter Kontrolle des Staates.

"Die Probleme haben sich noch einmal deutlich verschärft", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch. Der Bund habe sich daher auf ein Stabilisierungspaket verständigt, bei dem er am Ende 99 Prozent der Anteile an Deutschlands größtem Gasimporteur übernehmen werde. Dazu gehöre eine Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro, der Erwerb des Uniper-Aktienpakets des finnischen Versorgers Fortum sowie die Ablösung von Krediten. Insgesamt betragen die Kosten zur Rettung des größten deutschen Gaskonzerns nun 29 Milliarden Euro.

Uniper war bereits durch die Lieferkürzungen Russlands unter Druck geraten. Er muss sich am Spotmarkt teuren Ersatz beschaffen, um seine Kunden wie vereinbart zu beliefern. Die Probleme seien durch den Stopp russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 noch größer geworden, sagte Habeck. Uniper habe vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs rund 50 Prozent seines Gases aus Russland bezogen und 40 Prozent des deutschen Bedarfs gedeckt. "Das zusammengenommen zwang uns zum Handeln." Habeck rechnet damit, dass die Uniper-Verstaatlichung in etwa in drei Monaten umgesetzt sein wird und dann alle Genehmigungen vorliegen. Habeck zufolge soll es auch bei der geplanten Gasumlage bleiben, mit der die Gaskunden an den Verlusten der Konzerne beteiligt werden sollen.

INSOLVENZ UNIPERS ABGEWENDET

Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach machte deutlich, dass der Versorger auch nach einer Verstaatlichung auf die Umlage zurückgreifen wolle. Derzeit beliefere Uniper seine Kunden wie vereinbart, ohne die Zusatzkosten weiterreichen zu können. "Wir planen, dass es bis auf Weiteres diese Gasumlage gibt." Uniper rechne damit, dass die Umlage ab Oktober 2022 bis Ende März 2024 von den Verbrauchern erhoben werde. Durch die geplante Verstaatlichung sei eine Insolvenz abgewendet worden. Er gehe davon aus, dass der Bund solange wie nötig beteiligt bleibe, was für die Kreditwürdigkeit des Konzerns wichtig sei.

Die Gewerkschaft Verdi begrüßte die Pläne. "Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie ist im Sinne der Beschäftigten", sagte Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Eine Insolvenz Unipers wäre dagegen ein unkalkulierbares Risiko für den Gasmarkt. Uniper mit seinen rund 5000 Beschäftigten in der Bundesrepublik benötige dauerhafte Unterstützung, betonte der Uniper-Konzernbetriebsratsvorsitzende Harald Seegatz.

AUCH LEIPZIGER VNG RUFT NACH STAATSHILFE

Neben Uniper stehen auch zwei weitere Gasimporteure unter Druck: die Leipziger VNG und die frühere Gazprom Germania und heutige Sefe. Der Bund hat Sefe unter Treuhänderschaft gestellt. VNG hatte kürzlich einen Antrag auf Staatshilfe gestellt. Habeck hatte angekündigt, darüber rasch zu entscheiden.

Bei Uniper plant der Bund eine Kapitalerhöhung in Höhe von acht Milliarden Euro zum Preis von 1,70 Euro je Aktie. Zudem übernehme er alle Anteile des finnischen Mutterkonzerns Fortuman Uniper zu einem Preis von 1,70 Euro je Aktie, was einem Kaufpreis von rund 480 Millionen Euro entspreche. Ein weiterer Teil der Vereinbarung sei, dass der Bund nach der Übernahme die von Fortum zur Verfügung gestellte Kreditlinie bestehend aus einem Gesellschafterdarlehen von vier Milliarden und einer Garantielinie von vier Milliarden Euro ersetzt.

Habeck kündigte an, nach der Verstaatlichung Einfluss auf das Geschäft von Uniper zu nehmen. "Und dann wird man sich die einzelnen Geschäftsfelder im Einzelnen sehr genau anschauen." Umstritten sind der Betrieb des Steinkohle-Kraftwerks Datteln 4, die Beteiligung an Kernkraftwerken in Schweden und die Stromerzeugung in Russland. Die Anteile an der russischen Tochter Unipro stünden weiter zum Verkauf, sagte Maubach.

MILLIARDENVERLUSTE DURCH AUSBLEIBENDE RUSSISCHE LIEFERUNGEN

Uniper sind durch die Drosselung russischer Gaslieferungen Fortum zufolge bislang Verluste in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro entstanden. Die auch wegen der Verluste anstehende Trennung von Uniper sei ein schmerzhafter, aber unumgänglicher Schritt, sagte Fortum-Chef Markus Rauramo. Die Transaktion werde voraussichtlich bis zum Ende des Jahres abgeschlossen. Fortums Verluste betragen nach eigenen Angaben weniger als sechs Milliarden Euro. Die Käufe von Uniper-Aktien beliefen sich auf eine Summe von rund sieben Milliarden Euro. Der Konzern habe aber im Laufe der Jahre Dividenden in Höhe von 900 Millionen Euro erhalten und solle nun für seinen Anteil rund 500 Millionen Euro bekommen.

Uniper hatte allein im ersten Halbjahr einen Verlust von über zwölf Milliarden Euro eingefahren. Uniper-Chef Maubach erklärte, gegenüber dem russischen Gazkonzern Gazprom Schadenersatz geltend zu machen. Dafür gebe es mehrere Wege, unter anderem Schiedsgerichte. Die Uniper-Aktie verlor am Mittwoch zeitweise knapp 40 Prozent auf 2,55 Euro. Ende Dezember hatte sie noch rund 42 Euro gekostet. Die Papiere von Fortum legten um rund 15 Prozent zu.

(Bericht von Tom Käckenhoff, Christian Krämer, Markus Wacket, Essi Lehto und Anne Kauranen; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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