Heiko Böhmer: Darum haben wir aktuell den Boden an den Börsen noch nicht erreicht

Eine Frage treibt derzeit die Investoren um: Haben wir den Boden in der aktuellen Korrektur schon gesehen? Die Meinungen der Experten gehen hier weit auseinander. Klar ist: Es lohnt sich diese Frage genauer unter die Lupe zu nehmen – denn wer den Boden eines Bärenmarktes optimal erwischt und Positionen aufbaut, gehört im darauf folgenden Bullenmarkt zu den größten Gewinnern.
Schaut man auf die gängigen Stimmungsindikatoren dann fällt doch eine Sache auf: Die Stimmung ist nicht nur am Boden, die Stimmung ist extrem schlecht und in manchen Bereichen so schlecht wie noch niemals zuvor.
Ganz aktuell zeigen das wieder die Sentix Stimmungsindikatoren – vor allem bezogen auf den deutschen Nebenwerte-Index MDAX. Hier hat es schon neue Jahrestiefs gegeben. Es ist eben so, dass die mittelgroßen Unternehmen nicht einfach so in der Lage sind, die Produktion zwischen internationalen Standorten aktiv zu verlagern. Dazu heißt es in der aktuellen Sentix-Analyse: „Die Auswirkung der deutschen Unsinns-Energiepolitik trifft den Mittelstand mit voller Wucht. Das Anlegersentiment rauscht bezogen auf den MDAX auf ein Allzeittief. Mit -63 Prozent herrscht hier blankes Entsetzen und eine gewisse Schockstarre. Das Endspiel hat begonnen.“
Die Kapitulation an den Märkten fehlt noch
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Haben wir den Boden an den Märkten in der aktuellen Korrektur schon gesehen? Das glaube ich noch nicht. Es fehlt noch immer die Kapitulation an den Märkten. Es fehlt noch immer die Panik an den Märkten. Wir erleben eine große Angst bei vielen Investoren – aber eben keine Panik. Das ist ein großer Unterscheid.
Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner bringt es in diesen Tagen klar auf den Punkt: „Während Panik ein exzellentes Einstiegsmoment darstellt, ist Angst oft die Vorstufe zur Kapitulation. Die großen, wilden Ausverkaufstage fehlen (noch). Die nächsten zwei bis drei Wochen bieten sich hierfür an und dann wäre ein sehr aussichtsreiches Setup gegeben.“
Tatsächlich ist die zweite Septemberhälfte im saisonalen Muster der Märkte traditionell besonders schwach. Gerade die letzte September-Woche, die in wenigen Tagen beginnt, ist häufig eine der schwächsten Börsenwochen des gesamten Jahres. Nun sind saisonale Muster auf keinen Fall als Basis für Investmententscheidungen ausreichend. Doch wenn es darum geht, bestehende Einschätzungen noch zu untermauern, bieten sie sich durchaus an.
Tatsächlich haben sich bei der kurzfristigen Einschätzung der Investoren auf Sicht der nächsten 30 Tage, dem sogenannten Sentiment, zuletzt so extrem negative Werte ergeben, dass dies schon auf einen baldigen Stimmungswechsel und damit steigende Kurse an den Börsen hindeutet. Dies gilt besonders für US-Aktien.
Gewinnrückgänge bei den Unternehmen noch nicht eingepreist
Die mittelfristige Einschätzung auf Sicht von sechs Monaten, die als strategischer Bias bezeichnet wird, hat sich jedoch noch gar nicht verbessert. Es liegt also noch kein Einstiegsignal vor. Tatsächlich werden die kommenden Wochen nun besonders spannend. In wenigen Wochen startet die Berichtssaison zum dritten Quartal. Der große Fokus wird hier auf den Ausblicken der Unternehmen liegen. Grundsätzlich sind Gewinnrückgänge bei vielen Unternehmen zu erwarten. Und die sind noch nicht eingepreist. Rückgänge zwischen fünf und zehn Prozent sind ohne weiteres möglich. Bei einigen energieintensiven Branchen wie der Stahlindustrie ist auch mit einem Abrutschen in die Verlustzone zu rechnen – denn neben den hohen Kosten belastet nun auch noch eine schwächere Nachfrage die Unternehmen.