Heiko Böhmer: Bilanzdaten - bewegen sie wirklich die Börsen?

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: Vintage Tone/Shutterstock.com

Jetzt läuft die Berichtssaison zum 3. Quartal. Viele Firmen berichten überraschend gute Ergebnisse. Das ist erstaunlich, denn außer dem Energiesektor liegt keine Branche in diesem Jahr im Plus an der Börse. Verschließen also die Investoren die Augen vor der Realität?

Das kann man nun wirklich nicht sagen. Es ist nur einfach so, dass viele Firmen mit dem anspruchsvollen Umfeld offensichtlich besser zurechtkommen. Vielleicht ist eben doch eine größere Anzahl der Unternehmen in der Lage, die höheren Kosten auf den verschiedenen Ebenen an die Kunden weiterzugeben.

Im Gespräch mit den Unternehmen stellen auch unsere Analysten immer wieder eine Tatsache fest: Viele Firmenchefs sind sogar entspannt, denn sie können derzeit die Preise weiter anheben und die Kunden tolerieren es. Viel wichtiger ist an dieser Stelle dann die Lieferfähigkeit von Vorprodukten, weil nur so weitere Produkte fertiggestellt werden können.

Und beim Blick auf die Automobilbranche fällt schon auf: Die immer heftigeren Rabattschlachten gehören erst einmal der Vergangenheit an. Wer heute einen BMW oder Mercedes bestellt, wird beim Hinweis auf einen möglichen Rabatt vom Autohändler höchstens ein müdes Lächeln bekommen – aber keinen zählbaren Nachlass.

Gewinnmargen haben noch Luft nach unten

Und selbst wenn die Gewinnmargen zurückkommen sollten, so steht auch fest: Die lagen zuletzt deutlich über dem historischen Durchschnitt. Selbst wenn also im DAX oder S&P 500 die Gewinnmargen nur auf den langfristigen Durchschnitt fallen sollten, würden die Firmen im Schnitt noch immer Margen von beispielsweise 4,5 Prozent im DAX und immerhin 8 Prozent beim S&P 500 erzielen. Das waren zumindest die Durchschnitte der vergangenen 20 Jahre bezogen auf die Ertragskraft.

Allerdings kann sich auch eine andere Sache zeigen: Das Unternehmenszahlen doch keine so große Bedeutung für die Börsen haben. Und tatsächlich schaue ich an dieser Stelle regelmäßig auf das Sentiment, also die Stimmung an den Börsen. Die hat auf jeden Fall die Kraft, die Börsen zu bewegen – nach oben oder auch nach unten. Zuletzt nun war die Stimmung so tief im Keller, tiefer ging es kaum noch.

Stimmung der Investoren treibt doch eher die Kurse

Genau in solchen Phasen hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die Trendwende zum Besseren dann nicht mehr weit ist. Hier sieht man den starken Einfluss der Emotionen auf die Börse. Der Herdentrieb lässt viele Investoren in eine Richtung rennen – so geschehen in den vergangenen Monaten mit all den Krisen um uns herum. Die Stimmung der Investoren fiel immer weiter und erreichte zuletzt Niveaus, die unter denen des Corona-Tiefs 2020 oder dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise 2008 lagen. Im Grunde signalisierten die Sentiment-Indikatoren etwas übertrieben formuliert ein nahes Ende der Welt.

Doch dem ist wohl nicht so, denn viele Bilanzdaten waren zuletzt stabiler als gedacht – gerade auch in Europa, wo beispielsweise SAP erfolgreich die Kundentransformation in Richtung Cloud vorantreibt und für 2023 steigende Margen in Aussicht stellt.

Allerdings gibt es viel mehr Faktoren als nur die fundamentale Lage von Unternehmen, die die Kurse an den Börsen antreibt. Die Stimmung der Investoren ist genauso einer dieser Faktoren. Der Blick auf das aktuelle Sentiment liefert deshalb wichtige Erkenntnisse. Es lohnt sich daher für Anleger alle Aspekte zu berücksichtigen. 

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