Die Hintergründe zur Krise und Zusammenbruch des Sam Bankman-Fried Cryptoimperiums

BIT Capital · Uhr (aktualisiert: Uhr)
Quelle: Mike_O / Shutterstock.com

Nach der Abverkaufsspirale Mitte des Jahres war zuletzt eine Stabilisierung des Cryptomarktes zu beobachten. Für Crypto-Assets waren es Monate der Konsolidierung, nachdem zahlreiche große Marktakteure mit risikoreichen Geschäftsmodellen in einem folgenschweren Crash in die Insolvenz schlitterten. Zuletzt konnte sich der Bitcoin um die Marke von 20.000 USD stabilisieren und zwischenzeitlich sogar die breiten Aktienindizes schlagen. 

Inzwischen ist klar, dass diese Phase nur die Ruhe vor einem neuen Sturm war. Bitcoin und weitere Crypto-Assets waren jüngst wieder von einem deutlichen Abverkauf betroffen. Ausgangspunkt für die Kurskorrekturen waren Hinweise auf Unstimmigkeiten bei dem Crypto-Handelshaus Alameda Research sowie dem Schwesterunternehmen FTX, der weltweit drittgrößten Cryptobörse. Beide entstammen dem Unternehmensnetzwerk rund um Crypto-Milliardär Sam Bankman-Fried.

Die Ankündigung von Changpeng Zhao, dem Gründer der weltgrößten Cryptobörse Binance, seinen Bestand an FTX-Token (FTT) im Wert von über einer halben Milliarde EUR zu verkaufen, veranlasste Anleger in einem regelrechten Bank Run Vermögenswerte von FTX in Höhe von über 6 Milliarden USD innerhalb von 72h abzuziehen. In Folge führte dies zu einem erheblichen Liquiditätsengpass bei FTX. 

Eine neue Wendung nahmen die Ereignisse kurz darauf durch die Absichtserklärung von Binance, seinen Konkurrenten FTX übernehmen zu wollen. Die Gründer beider Unternehmen gaben eine entsprechende Verlautbarung auf Twitter ab. Durch die Bestätigung der finanziellen Notlage bei FTX fiel der Kurs von FTT weiter in die Tiefe. 

Schon bald darauf war jedoch klar, dass dies erst der Anfang der Krise war. Wenige Stunden nach der Absichtserklärung einer Übernahme von FTX durch Binance platzte der Deal. Anlegern droht nun der Totalverlust ihrer Einlagen. 

Wie konnte es zu einem derartigen Liquiditätsengpass bei FTX kommen? Noch während der Hochphase des jüngsten Crypto-Crashs galt Sam Bankmann-Fried als Retter zahlreicher angeschlagener Marktakteure. Doch gerade hier ist ein möglicher Auslöser für den Zusammenbruch des Firmengefüges rund um den Crypto-Unternehmer zu finden. 

Damals erlitt Alameda Research eine Reihe von Verlusten, inklusive des Darlehens an Crypto-Lender Voyager Digital. Um Alameda zu stützen, übertrug Bankman-Fried damals FTX-Mittel im Wert von mindestens 4 Milliarden USD an das Unternehmen. Diese waren durch Vermögenswerte wie FTT und Anteile an der Handelsplattform Robinhood gesichert. Bei einem Teil dieser Mittel könnte es sich auch um Kundeneinlagen gehandelt haben. Es ist davon auszugehen, dass Alameda auch von weiteren Parteien durch FTT-besicherte Darlehen erhalten hat.

Aufgrund des Preisverfalls von FTT sahen sich Alameda und FTX mit Forderungen für die Darlehen konfrontiert, verfügten aber nicht über die notwendigen Mittel, um diese abzusichern. Das führte zu verlustreichen Zwangsliquidierungen anderer liquider Positionen in einer Phase, in welcher der Markt bereits in Alarmbereitschaft war. Die Transparenz der Liquidierung von On-Chain-Positionen erhöhte die Nettoabflüsse bei FTX und damit verschlechterte sich auch die Liquiditätslage. 

Inzwischen wurden die Vermögenswerte der auf den Bahamas ansässigen FTX Betreibungsgesellschaft FTX Digital Markets von den Behörden eingefroren. FTX, Alamenda Research und 130 weitere angeschlossene Unternehmen haben bereits ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 eröffnet, in dem auch die unabhängige US-Tochter von FTX inkludiert ist. Sam Bankman-Fried ist in diesem Zug von seiner Funktion als CEO zurückgetreten. 

Die langfristigen Folgen für das Ökosystem sind gegenwärtig nicht vollends abzuschätzen. Laut aktuellen Informationen fehlen etwa 8 Milliarden, um die Gesamtverbindlichkeiten zu bedienen. Auch Margin Calls an weitere Parteien sind aufgrund der fallenden Kurse denkbar. 

Insgesamt zeigt der Crypto-Crash 2022 Ähnlichkeiten mit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 sowie der Finanzkrise 2008. Vom Zusammenbruch von Bear Sterns im März 2008 bis zum Untergang von Lehman Brothers vergingen sechs Monate. In diesem Jahr dauerte es sechs Monate vom Zusammenbruch des Terra-Ökosystems bis zum Untergang von FTX und Alameda als indirekte Folge. Sowohl das Terra-Ökosystem als auch FTX wurden durch das Trugbild ihrer selbst geschaffenen Token am Leben erhalten. Als die Fragilität dieses Systems ans Licht kam, folgte innerhalb weniger Tage der Zusammenbruch.

Einmal mehr wird deutlich, dass die globalen Cryptomärkte noch immer weit von einer angemessenen Regulierung entfernt sind, die Finanzstabilität schafft und Anleger schützt. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht arbeitet derzeit an einer Kapitalvorschrift für das Engagement von Geldhäusern in Crypto-Assets. Die aktuellen Entwicklungen dürften den regulatorischen Druck weiter forcieren und zu einer Beschleunigung dieser Entwicklung beitragen.

Dieser Text ist eine Kolumne von BIT Capital. Der Inhalt der Kolumne wird von onvista nicht verantwortet und muss daher nicht mit der Meinung der onvista Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von onvista ausdrücklich ausgeschlossen!

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