Netanjahu schmiedet Regierung mit Fundamentalisten und Nationalisten

Reuters · Uhr
Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2022. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

Jerusalem (Reuters) - In Israel ist nach Worten des designierten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu der Weg zur Bildung einer Regierung mit religiösen Fundamentalisten und rechten Nationalisten frei.

Wenige Minuten vor Ablauf der Frist für eine Regierungsbildung twitterte Netanjahu am Mittwoch kurz vor Mitternacht, er habe sich mit Koalitionspartnern auf eine gemeinsame Regierung geeinigt. Damit scheint die von vielen Ländern befürwortete Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern in weite Ferne gerückt.

Nur Stunden nach Netanjahus Ankündigung kam es am Donnerstag wieder zu Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern, bei denen ein Mitglied der Hamas nach Angaben der radikalislamischen Organisation getötet wurde.

Die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor, auch stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, warnte vor einer polarisierenden Regierung und neuen Spannungen in der Region. "Neben nationalistischen und religiösen Kräften sind auch rassistische und rechtsextreme Politiker vertreten", erklärte sie. Auch gebe es die Gefahr einer Schwächung des Obersten Gerichtshofs durch Überstimmungsrechte des Parlaments.

Ein Sprecher von Präsident Isaac Herzog bestätigte die Angaben Netanjahus. Der 73-Jährige muss nun innerhalb einer Woche sein Kabinett vorstellen. Die Frist für die Regierungsbildung war wegen des Gerangels um Ministerposten und politische Ziele einmal von Herzog verlängert worden.

Unter Palästinensern und auch im Ausland hat vor allem die geplante Aufnahme von Itamar Ben-Gvir von der ultranationalistischen Partei Jüdische Kraft und von Bezalel Smotrich von der Partei Religiöser Zionismus Unruhe ausgelöst. Beide lehnen einen Palästinenser-Staat ab und befürworten die Ausweitung israelischen Territoriums ins besetzte Westjordanland. Ben-Gvir soll Sicherheitsminister mit Zuständigkeiten für die Polizei werden, während Smotrichs Partei die Kontrolle über Planungen im Westjordanland erhalten soll.

Der wegen Steuerbetruges verurteilte Chef der religiösen Shas-Partei, Aryeh Deri, möchte Finanzminister werden. Er würde das Ministerium für zwei Jahre gemeinsam mit Smotrich übernehmen, der für die ersten zwei Jahre der Regierungszeit zuständig wäre.

Netanayhu hat erklärt, er wolle im Interesse aller Bürger Israels regieren. Bei der Parlamentswahl Anfang November war der von ihm angeführte Block auf 64 der 120 Sitze umfassenden Knesset gekommen. Netanjahu war schon mehrfach Regierungschef. Derzeit steht er wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht.

(Bericht von Henriette Chacar und Dan Williams, geschrieben von Birgit Mittwollen und Hans Busemann, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Meistgelesene Artikel