Russland nimmt US-Reporter wegen Spionageverdachts fest

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Moskau/London (Reuters) - Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat einen US-Reporter des "Wall Street Journal" in Jekaterinburg wegen Spionageverdachts festgenommen.

Evan Gershkovich habe "im Auftrag von amerikanischer Seite" als Staatsgeheimnis eingestufte Informationen über einen Militärkomplex gesammelt, teilte der FSB am Donnerstag mit. Ein Strafverfahren sei eingeleitet worden. Bei einer Anhörung vor einem Moskauer Bezirksgericht im Stadtteil Lefortowo unter Ausschluss der Öffentlichkeit plädierte Gershkovich der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge auf nicht schuldig. Das Gericht ordnete eine knapp zweimonatige Untersuchungshaft bis zum 29. Mai an.

Das Präsidialamt in Moskau erklärte, der Fall sei eine Angelegenheit des FSB. So weit man im Kreml wisse, sei der Journalist aber "auf frischer Tat ertappt" worden. Gershkovichs Anwalt Daniil Berman sagte zu Journalisten außerhalb des Gerichtssaals, dass er nicht zur Anhörung zugelassen worden sei. Gershkovich werde wahrscheinlich im Untersuchungsgefängnis Lefortowo festgehalten, das häufig vom FSB genutzt wird. Es ist das bislang schwerwiegendste öffentlich bekannte Vorgehen gegen einen ausländischen Journalisten seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine im Februar vergangenen Jahres. Russland hatte seine Mediengesetze nach Beginn der Ukraine-Invasion drastisch verschärft.

Gershkovich sei in Jekaterinburg festgenommen worden, als er versucht habe, Geheiminformationen zu besorgen, teilte der FSB mit. Beweise wurden nicht vorgelegt und zu dem Militärkomplex wurden keine näheren Angaben gemacht. Das "Wall Street Journal" und die US-Botschaft in Moskau waren für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. In US-Diplomatenkreisen hieß es, die Botschaft sei bislang nicht informiert worden. Sie versuche derzeit, von den russischen Behörden etwas über den Fall zu erfahren. Gershkovichs Handy war am Donnerstag nicht zu erreichen. Laut dem Kurznachrichtendienst Telegram war er zuletzt am Mittwoch um 13.28 Uhr Moskauer Zeit online.

Andere ausländische Journalisten, die über Russland berichten, zeigten sich online solidarisch mit Gershkovich. "Evan Gershkovich ist ein sehr guter und mutiger Journalist, kein Spion, um Himmels willen", schrieb etwa der außerhalb Russlands lebende Investigativjournalist und Geheimdienst-Experte Andrej Soldatow. Die Festnahme sei "ein Frontalangriff auf alle Auslandskorrespondenten, die noch in Russland arbeiten. Und es bedeutet, dass der FSB von der Leine gelassen wurde."

Gershkovich ist US-Staatsbürger. Er berichtet seit 2017 über Russland. Vor dem "Wall Street Journal" arbeitete er für die englischsprachige Zeitung "The Moscow Times" und die französische Nachrichtenagentur AFP. In den vergangenen Monaten deckte er vor allem russische Politik und den Ukraine-Konflikt ab.

(Bericht von Reuters, zusammengestellt von Felix Light und Andrew Osborn, geschrieben von Christian Rüttger und Christian Götz, redigiert von Sabine Ehrhardt.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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