Kolumne

Wovon träumt denn die CDU nachts?

Stefan Riße · Uhr
Quelle: photocosmos1/Shutterstock.com

Seit mehr als zehn Jahren schreibe ich diese Kolumne. Diejenigen, die sie schon länger lesen, erinnern sich vielleicht daran, dass sich mehrere Kolumnen gegen die schwarze Null und die Schuldenbremse im Grundgesetz richtete, die der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble anstrebte. Zum Abgang von Wolfgang Schäuble lautete der Titel der Kolumne dann auch „Die schwarze Null ist weg“.

Geblieben aber ist die Schuldenbremse. Aber auch sie war in den letzten Jahren nicht mehr mein Angriffspunkt, weil bei den Infrastrukturinvestitionen, die auf Kosten der schwarzen Null zusammengespart wurden, das Geld irgendwann nicht mehr fehlte.

In den vergangenen Jahren hatten die Regierungen glücklicherweise erkannt - weil es auch für jeden, der in diesem Land lebt, überdeutlich geworden ist - dass diese übertriebene Sparpolitik ein Fehler war, darüber hinaus in einer Zeit, in der sich der Staat mit langfristigen Anleihen zu Minuszinsen hätte verschulden können.

So wurden in den vergangenen Jahren immerhin mehr Mittel zur Verfügung gestellt, um unsere Infrastruktur und unser Bildungssystem wieder auf Vordermann zu bringen. Sicherlich wäre noch mehr nötig, aber sich darüber zu streiten lohnt nicht, denn schon jetzt werden die zur Verfügung stehenden Mittel nicht abgerufen, weil das drängendste Problem der Personalmangel ist. Es mangelt an der Umsetzung und nicht mehr am Geld.

Auch das habe ich hier schon angesprochen. Im Hinblick auf die Schuldenbremse machte ich deutlich, dass diese ohnehin ein stumpfes Schwert sei, weil die jeweilige Regierung dann eben Schattenhaushalte erschaffen würde, wenn Mittel dringend benötigt würden. So sah es ja auch bis vor zwei Tagen aus.

Das Verfassungsgericht ist nicht schuld

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist es der Regierung nun aber untersagt, die zur Bekämpfung der Corona-Krise an der Schuldenbremse vorbei bewilligten Mittel umzuwidmen und für den klimaneutralen Umbau unseres Landes zu verwenden. Und damit wird die Schuldenbremse mit Verfassungsrang zu einem echten Problem für dieses Land.

Denn die 60 Milliarden Euro zur Förderung des Umstiegs von fossilen auf erneuerbare Energien fehlen der Regierung jetzt. Man kann die Klimapolitik der Regierung zu Recht kritisieren. Sowohl beim Heizungsgesetz als auch bei der Förderung von Elektroautos stehen Fördersummen und eingesparte CO2-Emissionen in keinem gesunden Verhältnis.

Besser wäre es, den Markt die Probleme lösen zu lassen, indem man den CO2-Preis erhöht und auch mehr Industrien in dieses System einbezieht. Die Förderung könnte ähnlich wie in den USA beim Inflation Reduction Act dann über entsprechende Steuererleichterungen erfolgen. Das ist soweit richtig. Dass der Staat aber keine Mittel mehr zur Verfügung hat, auch nicht für Steuererleichterungen, denn die würden dann ja auch zu einem Verstoß gegen die Schuldenbremse führen, das ist ein Drama.

Eines ist jedoch klar. An all dem ist nicht das Verfassungsgericht schuld. Die Richter haben auf Basis der geltenden Gesetze zu entscheiden, die die Politik gemacht hat.

Friedrich Merz wird zum Totengräber der Nation

Die CDU hat gegen die Schattenhaushalte geklagt. Sie ist in der Opposition, und zunächst einmal ist es das übliche politische Spiel, gegen Gesetze der jeweiligen Regierung vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Aber bei der Energiewende von fossilen zu erneuerbaren Energien ist die Dringlichkeit so groß, dass politische und wahltaktische Motive hätten zurückstehen müssen.

Ich habe mich an dieser Stelle durchaus positiv über Friedrich Merz geäußert. Zusammen mit dem französischen Regierungschef Emanuel Macron und Mario Draghi in Italien hätte ich mir mit ihm als Kanzler eine starke europäische Achse vorstellen können.

Doch nicht nur, dass Draghi nun nicht mehr im Amt ist, Merz scheint sich auch aus wahlkampftaktischen Gründen im Kleinkrieg wohler zu fühlen und wird so ganz nebenbei zum Totengräber des Landes. Denn die jetzige Regierung steht nun vor einem Scherbenhaufen und kann all ihre Vorhaben nicht mehr umsetzen. Und die Kläger haben ja auch nicht gesagt, dass sie nur wollen, dass die Gelder besser eingesetzt werden.

Die Klage soll gänzlich verhindern, dass Deutschland seine Verschuldung erhöht. Der Glaube, dass ein ausgeglichener Staatshaushalt das höchste Gut eines Landes ist, ist in Deutschland leider immer noch weit verbreitet.

Die Opposition schießt sich ins Knie

Interessanterweise sind diejenigen, die zur Haushaltsdisziplin mahnen, oft die gleichen, die die USA oder auch China für ihre Investitionspolitik loben. Insbesondere der Inflation Reduction Act in den USA wird hoch gelobt. Auch Merz führt ihn als Grund an, warum der Wirtschaftsstandort USA viel attraktiver sei als der Deutschlands.

Haben diejenigen, die diese Infrastrukturinvestitionen in anderen Ländern loben, schon einmal einen Blick auf deren Schuldenbilanzen geworfen? Diese wachsen nämlich erheblich und schon seit Jahren. Die USA werden sich in den nächsten Jahren mit weit über drei Prozent - also der bekannten Obergrenze aus dem Maastricht-Vertrag - neu verschulden.

Die chinesische Volkswirtschaft gehört unter den großen Volkswirtschaften heute zu den am stärksten verschuldeten. Diese moderne Infrastruktur wurde und wird mit Schulden erkauft, weil man daraufsetzt, dass das damit verbundene Wirtschaftswachstum über höhere Steuereinnahmen die Schulden irgendwann zurückzahlen wird.

Wir Deutschen aber wollen moderne Infrastruktur ohne Staatsdefizit. Wovon träumt denn die CDU nachts? Und es ist auch zu kurz gedacht. Selbst wenn sie mit diesem in Deutschland beliebten Ruf nach Haushaltsdisziplin als stärkste Fraktion die nächste Regierung bilden kann, fällt ihnen die Grundlage ihrer Klage, nämlich die Schuldenbremse, selbst auf die Füße.

Denn dann wird die Opposition den Spieß umdrehen, wenn die CDU-geführte Regierung merkt, dass ihre Pläne für das Land nur mit höheren Schulden machbar sind. Insofern ist die ganze Klage ein Schuss ins Knie. Und als ob das nicht schon genug wäre, ist die neueste Nachricht von heute Morgen, dass Friedrich Merz nun auch noch die 200 Millionen Euro zur Abwehr der Energiekrise vom Verfassungsgericht überprüfen lassen will.

Wer so handelt, hat nicht das Land, sondern nur seine eigene politische Karriere im Sinn. Ein Charakter, der offensichtlich die Politikergeneration der letzten Jahre eint

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