Machtwechsel in Polen - Pro-EU-Allianz stimmt für Tusk als Premier

Reuters · Uhr
Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2023. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

- von Anna Koper und Pawel Florkiewicz

Warschau (Reuters) - Polen hat am Montag den Machtwechsel hin zu einer pro-europäischen Regierung vollzogen.

Das Parlament votierte mit 248 zu 201 Stimmen für den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk vom liberal-konservativen Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) als neuen Regierungschef. Zuvor hatte der amtierende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine Vertrauensabstimmung verloren. Mit dem Machtwechsel könnte der jahrelange Streit zwischen der EU und Polen etwa über die umstrittene Justizreform und die Zuteilung von eingefrorenen EU-Mitteln in Milliarden-Höhe enden.

Zwar hielt Tusks Dreier-Bündnis zusammen mit dem "Dritten Weg" und der "Neuen Linken" bereits seit der Wahl vom 15. Oktober die Mehrheit im Parlament. Morawieckis PiS blieb jedoch stärkste Fraktion. Trotz geringer Aussicht auf die Bildung einer Koalition hatte Präsident Andrzej Duda - der selbst aus den Reihen der PiS stammt - zunächst Morawiecki den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die PiS beansprucht für sich, während ihrer achtjährigen Regierungszeit die Souveränität und Traditionen Polens vor ausländischer Einmischung verteidigt zu haben. Zudem sei durch die Einführung von Sozialleistungen und höhere Mindestlöhne der Lebensstandard für Millionen Polen verbessert worden.

EXPERTEN: REGIERUNGSARBEIT WIRD SCHWIERIG

Kritiker werfen der PiS dagegen vor, die Unabhängigkeit der Justiz untergraben, die staatlichen Medien für Propaganda umgebaut sowie Vorurteile gegen Einwanderer und sexuelle Minderheiten (LGBT) geschürt zu haben.

Der heute 66-jährige Tusk war bereits von 2007 bis 2014 Ministerpräsident sowie von 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates. Er hat deshalb noch gute Kontakte nach Brüssel. Er wolle Polens Position in Europa "wieder aufbauen", hat Tusk betont. "Wenn jemand Polen zurück auf den demokratischen Weg der EU führen kann, dann ist es Tusk", sagte ein hochrangiger EU-Beamter der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir vertrauen auf seine Führung."

Die Regierungsarbeit dürfte aber nicht leicht werden, warnen Fachleute. Sie gehen davon aus, dass Präsident Duda Tusk das Regieren erschweren dürfte. In Polen beginne eine Phase der sogenannten "Kohabition", wenn Präsident und Premier aus verschiedenen Lagern kommen, sagte Antoni Dudek, Politikwissenschaftler an der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität (UKSW) in Warschau. "Die bisherigen Erfahrungen Polens mit einer solchen Kohabition sind sehr schlecht." Laut Dudek war die Zeit von 2007 bis 2010, als Tusk neben dem verstorbenen Präsidenten Lech Kaczynski, dem Zwillingsbruder des PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski, bereits Regierungschef war, "ein einziger großer Konflikt". Dies könne sich nun wiederholen.

Auch beim Thema Justizreform zeichnete sich bereits am Montag für die neue Regierung Ungemach ab. Ein Gericht erklärte ein Gesetz für Verfassungswidrig, das den Streit mit der EU beilegen sollte. Der Umbau der Justiz gilt als entscheidend, damit Polen Zugriff auf Milliarden an blockierten EU-Geldern erhält. Tusk wollte am Dienstag vor dem Parlament sprechen.

(Weitere Berichterstattung Anna Wlodarczak-Semczuk. Geschrieben von Klaus Lauer und Scot W. Stevenson. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Neueste exklusive Artikel