Kolumne von Stefan Riße

Bürgergeld für alle und Aktienrente: Das wär's!

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)
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Den Anspruch, eine Volkspartei zu sein, kann die SPD eigentlich schon lange nicht mehr erheben. Bei den aktuell Umfrageergebnissen von um die 14 Prozent im Bund ohnehin nicht. Sie hat die gesellschaftliche Mitte längst verloren. Der letzte SPD-Kanzlerkandidat und Kanzler, der sie noch erreichte, war Gerhard Schröder. Mit seiner Agenda 2010 traf er Anfang der Zweitausenderjahre den Nerv der Zeit und leistete einen wichtigen Beitrag dazu, dass Deutschland vom Schlusslicht Europas wieder an die Spitze wechselte. Immer wieder wird die Agenda 2010 von CDU- und FDP-Politikern und in Person selbst von Friedrich Merz und Christian Lindner als wichtiger Beitrag für den Standort Deutschland benannt.

Doch anstatt die richtigen Reformen als Erfolg für sich zu reklamieren, mit dem Hinweis, dass eine sozialdemokratische Partei und nicht eine christlich-soziale oder wirtschaftsliberale diese einst beschlossen hat, schämt man sich in der SPD für die damalige Politik. Das Ergebnis ist das Bürgergeld, das wir nun als Ablösung für das Arbeitslosengeld II haben, im Volksmund "Hartz IV" genannt.

Wer nicht arbeitet, denkt nur ökonomisch

Als die Hartz-Reformen damals eingeführt wurden, berichtete mir ein Freund und Unternehmer, dass plötzlich die Telefone klingelten. Viele Leute bewarben sich auf seine Jobs, die das vorher nicht getan hatten. Denn um Hartz IV zu erhalten, musste man nachweisen, sich ernsthaft um einen Job bemüht zu haben. Ansonsten bekam man die Leistungen gekürzt. Das hielt man in der SPD schnell für unwürdig, so dass jetzt mit dem Bürgergeld das Sanktionsregime deutlich gelockert wurde.

Tatsache ist, dass Sanktionen bei Pflichtverletzungen seit seiner Einführung deutlich seltener verhängt werden als zu Zeiten von Hartz IV. Der öffentlich-rechtliche Nachrichtensender "rbb24" zitiert die Bundesagentur für Arbeit mit einem Vergleich: Im Juli 2019 wurden etwa 65.000 Sanktionen verhängt. Im Juli 2023 waren es nicht einmal mehr halb so viele. Das Ergebnis sind nun reihenweise unbesetzte Stellen bei Millionen von Bürgergeldbeziehern.

Vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, wo es naturgemäß viele Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor gibt, finden die Unternehmen keine Mitarbeiter mehr. Das liegt daran, dass sich vor allem für Menschen mit Familie das Arbeiten oft nicht mehr lohnt. Häufig bleibt netto für eine sozial versicherte Beschäftigung nicht mehr übrig als eine Familie Bürgergeld bekommt. Denn die Zahlungen für Kinder sind natürlich deutlich höher als das Kindergeld, das man vereinnahmt, wenn man einer Beschäftigung nachgeht.

Doch wer steht schon morgens auf, investiert noch in Fahrtkosten, wenn unter dem Strich kaum mehr übrig bleibt als das, was der Staat ohnehin bezahlt. Wer Bürgergeld erhält, der wird fürs Arbeiten bestraft, weil ab 100 Euro Zuverdienst von jedem weiteren Euro zwischen 70 und 90 Cent abgezogen werden. Wer in dieser Situation nicht arbeitet, denkt einfach ökonomisch. Wem will man es verdenken. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Das System ist schuld.

Bürgergeld für alle wäre viel schlauer

Nun bin ich gar kein Feind des Bürgergeldes. Im Gegenteil. Ich finde, jeder sollte es erhalten, selbst Großverdiener. Dann wäre der gesamte Verwaltungsaufwand, der für die Bearbeitung der Bürgergeldanträge anfällt, erledigt. Und dieser Aufwand ist gewaltig.

Natürlich sollten Gutverdiener durch das Bürgergeld keinerlei Entlastung erhalten. Man könnte dieses bedingungslose Grundeinkommen, wie es auch genannt wird, aber ganz einfach über die Steuerprogression, die dann eben etwas früher steigt, wieder einfangen. Ich würde das Arbeiten ja nicht aufgeben, möchte ich doch meinen Lebensstandard von heute halten können.

Für diejenigen im unteren Lohnsektor würde sich dann das Arbeiten aber wieder lohnen, weil dann jeder zusätzlich verdiente Euro nach Abzug der Sozialabgaben zunächst einmal hauptsächlich in der eigenen Tasche verbleiben würde, bis die Steuerlast dann langsam steigt. Der Staat würde nicht mehr ausgeben, aber die Stellen würden besetzt und das Bruttoinlandsprodukt steigen, was gleichzeitig zu steigenden Steuereinnahmen führen würde. 

Und dazu noch eine Idee. Ein Teil des Bürgergeldes sollte man in einem Aktiendepot, oder sagen wir Altersvorsorgedepot, bis zur Rente in Aktien- oder Aktienfonds ansparen müssen, was dann steuerfrei im Rentenalter ausgeschüttet werden könnte. So würde eine zweite Säule der Altersvorsorge entstehen, die wir bei dem demographischen Problem, das wir bekanntermaßen in der staatlichen Rentenversicherung haben, dringend brauchen.

Aber leider traut sich die linke Seite des politischen Spektrums nicht, diese Idee vorzutragen.  Denn dann bekämen selbst Gutverdiener Bürgergeld. Das klänge sozial unausgewogen. Und auf der rechten beziehungsweise konservativen Seite ist diese Idee auch nicht populär, weil sie ja zunächst bedeutet, dass der Staat fürs Nichtstun Geld ausgibt. Das passt nicht in die Philosophie konservativer Ordnungspolitik. Bedauerlich!

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