Kolumne von Alexander Mayer

Wieso steigende Kurse ein Krisensymptom sind

decentralist.de · Uhr
Quelle: AlyoshinE/Shutterstock.com

Aktienkurse steigen, wenn Anleger ein Interesse daran haben, einen Teil des abgebildeten Unternehmens zu besitzen und einen Teil der wirtschaftlichen Werterzeugung durch die Ausschüttung einer Dividende zu erhalten. Ein Bullenmarkt an den Aktienmärkten basiert also auf einer allgemein steigenden wirtschaftlichen Aktivität und steigenden Gewinnen.

Die Anleger möchten etwas von dem Kuchen abhaben. Eine schwächelnde Wirtschaft hingegen sorgt jedoch für fallende Aktienkurse. Anleger erwarten eine geringere oder gar keine Rendite und parken ihr Kapital lieber in sicheren Häfen wie beispielsweise Anleihen.

Die Logik dieser grundlegenden Dynamik an den Märkten klingt auf den ersten Blick selbstverständlich. Doch der Teufel liegt wie immer im Detail. Damit die wirtschaftliche Bewertung von Aktien, Vermögenswerten im Allgemeinen – oder schlicht von Irgendetwas - auch funktionieren kann, muss auch der zugrundeliegende Messwert funktionieren, durch den diese Bewertung stattfindet. Und hier liegt die Wurzel eines großen Problems, welches die Finanzmärkte nun schon seit längerer Zeit heimsucht und die allgemeine Wertbemessung immer mehr verzerrt.

Ein Blick ins Getriebe der Finanzmärkte

Der Wert von Dingen wird natürlich durch Geld bemessen. In unserem Fall durch den Euro, international gesehen ist der Dollar der relevanteste Messwert an den Finanzmärkten. Doch dieser Messwert ist alles andere als stabil – und dies nicht erst seit der stark steigenden Verbraucherpreis-Inflation, die uns seit der Corona-Krise heimsucht.

Die geldpolitischen Interventionen der Zentralbanken haben spätestens seit der Finanzkrise 2008 Ausmaße angenommen, die einen signifikanten Einfluss auf die Abbildung der Bewertung an den globalen Finanzmärkten haben. Das liegt an der kontinuierlichen Ausweitung der Geldmenge, die als Bemessungsgrundlage für alle Vermögenswerte, Produkte und Dienstleistungen dient.

Die Geschichtsstunde der Aufhebung des letzten Goldstandards durch die Auflösung des Bretton-Woods-Systems in den 1970er-Jahren und der dadurch bedingte Wechsel von einem harten zu einem weichen Geld-Standard spare ich mir an dieser Stelle. Schauen wir stattdessen auf die reinen Zahlen: Seit den 1970er-Jahren steigt die US-Geldmenge M2 (Bargeld, Girokonten, Sparanlagen) deutlich an und hatte bis zur Finanzkrise 2008 einen Stand von fünf Billionen Dollar erreicht.

Danach ging es rapide nach oben, bis zu einem Stand von 15 Billionen Dollar im Jahr 2019. Der Turbo wurde jedoch seit 2020 gezündet und hat die Geldmenge bis 2021 auf ein Hoch von 21,5 Billionen Dollar erhöht (derzeitiger Stand: 20,9 Billionen Dollar). Auf globaler Ebene sieht es ganz ähnlich aus. Laut Daten von MacroMicro beläuft sich die Geldmenge M2 der vier größten Zentralbanken weltweit auf 84 Billionen Dollar im Vergleich zu 30 Billionen 2008 oder 15 Billionen 1995.

An diesem Umstand ist zunächst einmal nichts Problematisches. Zumindest nicht, wenn auch die Bewertungen von allen bemessenen wirtschaftlich relevanten Einheiten gleichmäßig mitsteigen. Wenn Löhne, Verbraucherpreise, Immobilienpreise, Fahrzeugpreise usw. gleichmäßig steigen, dann spielt es keine Rolle, dass die reinen Zahlen des Messwerts steigen. In der Realität ist das jedoch nicht der Fall und das macht die Sache zu einem Problem. Bereits seit den 1970er-Jahren steigen die Preise asymmetrisch. 

Ich will an dieser Stelle keine Detailstudie machen. Kurz gesagt: Die Geldmengenausweitung hat sich zunächst auf Vermögenswerte an den Finanzmärkten ausgewirkt – Leute im Besitz dieser Vermögenswerte, beispielsweise Aktien oder Immobilien, haben entsprechend profitiert. Wirtschaftsteilnehmer, deren Geldquelle hauptsächlich auf Lohneinkommen beruht, sind auf der Verliererseite dieser asymmetrischen Entwicklung (und das betrifft einen Großteil aller Wirtschaftsteilnehmer). Durch die laufende Geldmengenausweitung sinkt die Kaufkraft des Geldes. 

Aktien steigen nicht wirklich im Wert...

Die Kurssteigerungen von Aktien, Immobilien und Co. sind in erster Linie keine Abbildung der Wertsteigerung mehr, sondern lediglich ein Symbol für die schwindende Kaufkraft des Geldes für diese Vermögenswerte. Das wird deutlich, wenn man sich den S&P 500 als aussagekräftige Abbildung der US-Wirtschaft anschaut und diesen in Relation zur Entwicklung der US-Geldmenge M2 setzt:

Quelle: decentralist

Betrachtet aus dieser Perspektive notiert der S&P 500 immer noch weit unter seinem letzten Hoch aus der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre – dem Zeitpunkt, als die Fed angefangen hat, in relevantem Ausmaß geldpolitisch zu intervenieren. Seit den Verwerfungen durch die Finanzkrise 2008 war bis Anfang dieses Jahres der Deckel drauf. Zuletzt ist dem S&P jedoch ein Ausbruch darüber gelungen. 

...bis auf Technologie-Werte

Nun kommen wir zum spannenden Teil: Offensichtlich konnten die Aktienmärkte die Geldmengenausweitung, betrachtet aus der Perspektive der Kaufkraft, seit dem Start der exzessiven geldpolitischen Interventionen nicht mehr wirklich übertreffen, sondern im besten Fall lediglich Schritt halten. Doch es gibt einen Sektor, der eine so große Wertsteigerung erzeugt hat, das dies durchaus gelungen ist: Der Tech-Sektor.

Nach der spekulativen Blase der 2000er hat die Internet-Wirtschaft ihren Weg mit echten Anwendungen und Produkten in die Wirtschaft gefunden und mit einer exponentiellen Wachstumsphase, einhergehend mit extremer Werterzeugung, die Geldmengenausweitung massiv übertroffen:

Quelle: decentralist

Da die „Magnificent seven“, die großen Tech-Giganten, mittlerweile den S&P 500 mittragen, ist es nicht verwunderlich, dass nun auch der S&P 500 einen Ausbruch über die Finanzkrisen-Niveaus geschafft hat. Nicht von ungefähr redet man mittlerweile über den S&P 493. Während die 493 anderen Unternehmen im S&P seit dem letzten Tief aus dem Jahr 2022 insgesamt eine Wertsteigerung von etwas mehr als 20 Prozent erfahren haben, konnten die Magnificent seven insgesamt um über 60 Prozent klettern. Sie machen durch ihre vereinte Marktkapitalisierung mittlerweile mehr als 30 Prozent des gesamten Index aus.

...und Bitcoin

Bitcoin übertrifft jedoch selbst Tech-Werte in dieser Hinsicht bei Weitem. Das derzeitige Geldsystem funktioniert als Messwert für die Bewertung von wirtschaftlichen Einheiten nicht mehr richtig – und die asymmetrische Preisveränderung sorgt für eine Fülle an immer größer werdenden Problemen. Bitcoin profitiert davon sowohl als Risk-On- als auch als Risk-Off-Wert.

Die Geldmengenausweitung macht sich zuerst bei Vermögenswerten an den Finanzmärkten bemerkbar. Durch seine digitale Limitierung profitiert Bitcoin hier besonders. Die wachsende Instabilität macht Bitcoin zudem als alternativen Wertspeicher immer attraktiver. In diversen, von angehender Hyperinflation geprägten Ländern, hat Bitcoin bereits extreme neue Allzeithochs erreicht. Selbst die Wertentwicklung des Tech-Sektors der vergangenen Jahre verblasst gegen die Dynamik, mit der Bitcoin immer mehr die Geldmengenausweitung aufsaugt.

Spätestens seit 2008 sind die Märkte im Krisen-Modus und die Zentralbanken werden auch auf das nächste Problem aufgrund von Alternativlosigkeit mit Gelddrucken reagieren. Steigende Kurse sind letzten Endes ein Symbol dieser andauernden Krise.

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