Zahl gebauter Wohnungen noch stabil - "Durststrecke kommt erst noch"

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- von Klaus Lauer

Berlin (Reuters) - Trotz einer stabilen Zahl gebauter Wohnungen blickt die deutsche Baubranche pessimistisch nach vorn.

In den nächsten Monaten könne man nicht mehr vom positiven Umfeld der Vergangenheit zehren und spüre verstärkt den Einbruch der Baugenehmigungen, erklärte der Dachverband ZIA der Immobilienwirtschaft. "Die Folgen der rapiden Zins- und Baukostensteigerungen werden uns dann mit voller Wucht treffen", warnte ZIA-Präsident Andreas Mattner am Donnerstag. In Deutschland wurden 2023 laut Statistischem Bundesamt rund 294.400 Wohnungen gebaut. Dies waren nur 900 oder 0,3 Prozent Einheiten weniger als 2022, aber das Ziel der Ampel-Koalition liegt bei 400.000 pro Jahr. "Die Durststrecke kommt erst noch", sagte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB).

"Für dieses Jahr rechnen wir nur noch mit maximal 250.000 fertiggestellten Wohnungen – Tendenz fallend", erklärte Pakleppa. "Ohne den Start der neu angekündigten Förderprogramme im Neubau, ohne geringere energetische Anforderungen und Zinssätze in den KfW-Programmen werden wir einen immensen Einbruch am Wohnungsbaumarkt sehen."

Bundesbauministerin Klara Geywitz sieht die "überraschend guten" Daten hingegen als Beleg für eine stabile Lage am Bau. Mit ihrer Wohnungspolitik habe die Regierung die richtigen Anreize gesetzt. Die milliardenschwere Förderung für bezahlbaren Wohnraum bringe immer mehr private Wohnungsbaugesellschaften in den sozialen Wohnungsbau, sagte die SPD-Politikerin. "Unsere Förderpolitik und die deutlich verbesserten Rahmenbedingungen am Bau, wie der Rückgang der Inflation und Bauzinsen sowie Einkommenszuwächse und vermehrte Hypothekenabschlüsse, werden die Bau- und Wohnungsbranche weiter unterstützen."

Die Branche befürchtet jedoch magere Zeiten, da die Zahl der Baugenehmigungen - als Gradmesser für künftige Fertigstellungen - eingebrochen ist. Die Behörden gaben 2023 grünes Licht für den Bau von nur knapp 260.000 Wohnungen - dies ist der tiefste Stand seit 2012. Teure Materialien und teure Finanzierung wegen hoher Zinsen schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab. Deshalb schwächelt der Wohnungsbau massiv, weil sich für Bauträger und Projektentwickler das Bauen derzeit kaum noch lohnt. Die Branche fordert deshalb ein Lockern der teureren Baustandards etwa in puncto Energieeffizienz. Die Lobby ruft hier seit langem auch nach stärkeren Staatshilfen - etwa über Zinsverbilligungsprogramme für private Investoren.

Geywitz sagte dazu, die Politik könne nicht pauschal kreditfinanzierte Zinssubventionssprogramme für die gesamte Baubranche auflegen. "Wir machen das punktuell." Man unterstütze etwa Familien und die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus.

"TALSOHLE BEIM WOHNUNGSBAU FRÜHESTENS 2025"

Auch im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Baugenehmigungen eingebrochen - um 22,2 Prozent auf 53.500 Wohnungen. "Die Talsohle beim Wohnungsbau dürfte frühestens 2025 erreicht sein", sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Wenn die Europäische Zentralbank 2024 noch mehrfach die Zinsen senke, könnten die Baugenehmigungen 2025 wieder leicht steigen, so dass in den Jahren danach wieder mehr Wohnungen fertiggestellt werden könnten. "Das Ziel der Regierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr dürfte aber auch auf Jahre nicht ohne weitere Förderprogramme zu erreichen sein."

Den Bauüberhang bezifferte das Statistikamt für Ende 2023 auf 826.800 Wohnungen, binnen Jahresfrist ein Minus von 58.100 Einheiten und der erste Rückgang seit 2008. Hier handelt es sich um genehmigte Wohnungen, die aber noch nicht gebaut wurden.

Die Branche appelliert an die öffentliche Hand, Bauen zu beschleunigen und zu vereinfachen. "Mit einem mutigen und beherzten Abbau hemmender staatlicher Regulatorik können wichtige Impulse gesetzt werden, ohne dass dem Staat nennenswerte Kosten entstehen", sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. So müssten Kommunen mehr Bauflächen ausweisen, Planungs- und Genehmigungszeiten seien zu lang und Umweltschutzauflagen überzogen. Zudem mangele es an Digitalisierung und Personal in den Bauämtern.

In der Bundesrepublik Deutschland wurden seit Beginn der Baustatistik 1950 durchschnittlich gut 400.000 neue Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Den höchsten Stand erreichte der Wohnungsbau 1973 mit gut 714.200 fertiggestellten Einheiten im früheren Bundesgebiet. Nach der Wiedervereinigung war 1995 das Rekordjahr mit rund 602.800 neuen Wohnungen in Gesamtdeutschland. Die wenigsten Wohnungen wurden in der globalen Finanzmarktkrise 2009 fertiggestellt - nur 159.000.

(redigiert von Kerstin Dörr - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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