Pistorius will 5000 Freiwillige für Bundeswehr pro Jahr locken

- von Alexander Ratz
Berlin (Reuters) - Verteidigungsminister Boris Pistorius will zusätzliche Wehrdienstleistende für die Bundeswehr zunächst ohne Zwang rekrutieren.
Dies geht aus Plänen hervor, die der SPD-Politiker am Mittwoch in Berlin vorstellte. Er gehe davon aus, dass mit seinem Modell jährlich 5000 Rekruten freiwillig zur Bundeswehr kämen, sagte der SPD-Politiker. "Wir wollen die Besten und die Motiviertesten." Die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht ist in dem Konzept nicht vorgesehen.
Pistorius begründet seinen Vorstoß mit den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. "Wir müssen glaubhaft abschreckungsfähig sein", betonte er. Seinen Angaben zufolge verfügt die Bundeswehr derzeit über 181.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, hinzu kommen rund 60.000 Reservisten. Es brauche absehbar 200.000 Reservisten mehr. Zudem ist es das Ziel der Bundeswehr, die Zahl der Soldaten bis zum Jahr 2031 auf 203.000 zu erhöhen. Damit würde Deutschland dann insgesamt über etwa 460.000 Soldaten verfügen.
"Wir müssen diesen Aufwuchs hinbekommen", sagte der Minister. Die Kosten für 5000 zusätzliche Rekruten pro Jahr bezifferte Pistorius auf 1,4 Milliarden Euro. Er gehe davon aus, dass sein Modell bereits im nächsten Jahr greifen könne. Dazu braucht es aber zunächst einen Beschluss des Kabinetts, verabschiedet werden muss das Modell dann vom Bundestag. Die Unterstützung des Kanzlers und der Koalitionspartner habe er, sagte Pistorius. "Dafür habe ich alle Signale, die ich brauche."
Der Minister wollte ursprünglich weitergehen und einen größeren Pflichtanteil in sein Konzept einbauen. Damit stieß er aber auf Widerstand in der SPD-Spitze, aber auch bei Grünen und FDP. In dem Konzept heißt es jetzt: "Wir wollen ein neues Modell, das vor allem auf Freiwilligkeit setzt, im Bedarfsfall aber auch verpflichtende Elemente beinhaltet."
"GUT GEEIGNET"
Konkret vorgesehen ist, dass alle jungen Männer ab 18 Jahre einen Fragebogen über deren Haltung zur Bundeswehr zugesandt bekommen, den sie verpflichtend beantworten müssen. Laut Pistorius werden in Deutschland jedes Jahr etwa 400.000 junge Männer 18 Jahre alt. Er gehe davon aus, dass ein Viertel davon Interesse habe, zur Bundeswehr zu gehen. Die geeigneten Kandidaten sollen nach einer Musterung bestimmt werden. Auch Frauen sollen den Fragebogen erhalten, sie müssen ihn aber nicht ausfüllen, weil das Grundgesetz keine Wehrpflicht für Frauen vorsieht. Die Auserwählten sollen einen Grundwehrdienst von sechs Monaten leisten oder sich für bis zu 23 Monate verpflichten können.
Der neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der FDP-Politiker Marcus Faber, begrüßte die Vorlage des Ministers. "Die Bundeswehr braucht eine Aufwuchsfähigkeit. Wir sollten dabei erstmal auf Freiwilligkeit setzen", sagte Faber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Der Truppe ist mehr gedient, wenn sie Leute bekommt, die Lust auf den Job haben. Dafür sind die Schritte, die Pistorius plant, gut geeignet." Zugleich plädierte Faber dafür, die Vorschläge des Ministers noch in dieser Wahlperiode auf den Weg zu bringen. Dazu braucht es allerdings zunächst eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung.
Lob kam auch von FDP-Chef Christian Lindner. "Der Vorschlag von Boris Pistorius geht nun in die richtige Richtung", schrieb der Bundesfinanzminister auf der Plattform X. "Statt eines neuen Pflichtdiensts sollten wir mehr Menschen für den Dienst in der Bundeswehr interessieren und die Reserve stärken. Darüber werden wir jetzt sprechen."
"DIE ZEITENWENDE ERNST NEHMEN"
Der stellvertretende verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Vöpel, erklärte: "Wir unterstützen die Pläne von Bundesverteidigungsminister Pistorius, die Zahl unserer Streitkräfte zu erhöhen." Im Verteidigungsfall werde eine stärkere Reserve gebraucht. "Die Zeitenwende ernst nehmen heißt, mehr Wehrdienstleistende für die Bundeswehr zu gewinnen." Entscheidend sei dabei, die Strukturen der Wehrpflicht wiederzubeleben, wie etwa Wehrerfassung und Musterungsstellen.
Kritik kam dagegen aus der Union. Das Modell von Pistorius werde den sicherheitspolitischen Anforderungen nicht gerecht, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, der "Augsburger Allgemeinen". "Weder handelt es sich um eine Pflicht, noch wird die Wehr adäquat gestärkt", kritisierte der CSU-Politiker. Die Wehrpflicht in Deutschland war 2011 angesichts der sicherheitspolitischen Lage unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgesetzt worden.
(Mitarbeit Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)