Verfassungsgericht kippt Fünf-Prozent-Klausel im neuen Wahlrecht

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Karlsruhe (Reuters) - Die Fünf-Prozent-Klausel ist der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zufolge nach der Reform des deutschen Wahlrechts nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar.

In der Kombination mit der geplanten Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel sei die Sperrklausel verfassungswidrig, hieß es in dem Urteil, das Medienberichten zufolge bereits am Montag zeitweise auf der Webseite des Gerichts abrufbar war. Die ebenfalls geplante Streichung der Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten, die den aktuellen Bundestag auf 733 Sitze aufgebläht haben, beanstandete das Gericht nicht. Offiziell soll das Urteil um 10.00 Uhr verkündet werden. Ein Sprecher des Gerichts lehnte einen Kommentar ab, auch zu der Frage einer möglichen Panne bei der Veröffentlichung des Urteils.

Mit dem Urteil waren die Klagen von CDU/CSU, der Linken sowie der bayerischen Staatsregierung teilweise erfolgreich. Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings sprach im Deutschlandfunk von einer großen Niederlage der Ampel. Die CSU-Expertin Andrea Lindholz sagte RTL/ntv, es sei richtig, dass das Gericht die Aufhebung der Grundmandatsklausel gestoppt habe. "Ich bin sehr froh, dass das Bundesverfassungsgericht kleine Parteien, regionale Parteien wie auch die CSU damit stärkt."

Die Ampel-Koalition hatte 2023 eine Wahlrechtsreform beschlossen, die eine Verkleinerung des Parlaments auf 630 Abgeordnete vorsah. Die sogenannte Grundmandatsklausel, wonach mindestens drei Direktmandate einer Partei den Weg in den Bundestag ebnen, fiel im neuen Gesetz weg. Die Fünf-Prozent-Hürde, wonach nur Parteien, die bundesweit diese Schwelle erreichen, in den Bundestag einziehen, wurde dagegen beibehalten. Schon in der Verhandlung war die Abschaffung der Grundmandatsklausel bei gleichzeitiger Beibehaltung der Fünf-Prozent-Hürde von den Richtern kritisch hinterfragt worden.

BUNDESTAGSWAHL 2025

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei "in ihrer geltenden Form mit dem Grundgesetz nicht vereinbar", hieß es nun in dem Urteil. Ohne eine Ausnahmeregelung wie die Grundmandatsklausel beeinträchtige sie den Grundsatz der Wahlgleichheit und müsse deshalb modifiziert werden. Eine Möglichkeit sei zum Beispiel eine Absenkung der Hürde. Bis zu einer Neuregelung gelte die Grundmandatsklausel fort, ordnete das Gericht an. Das ist vor allem für die im September 2025 geplante Bundestagswahl relevant: Wenn es dem Gesetzgeber nicht gelingt, die Sperrklausel zu ändern, gilt für diese Wahl immer noch die Grundmandatsklausel.

Zuletzt hatte die Partei Die Linke von der Grundmandatsklausel profitiert, weil sie bei der Wahl 2021 bundesweit unter fünf Prozent geblieben war, durch den Gewinn von Direktmandaten aber dennoch in den Bundestag einzog. Aber auch die CSU sah sich gefährdet. Da die Partei nur in Bayern kandidiert, liegt sie bundesweit gerechnet nur knapp über fünf Prozent der Stimmen. Sie gewinnt zwar regelmäßig nahezu alle Direktmandate in Bayern, aber das wäre bei einem Wegfall der Grundmandatsklausel unerheblich. In seinem Urteil diskutiert das Gericht auch die Möglichkeit, dass die Zweitstimmen zweier Parteien, die wie CDU und CSU zusammen eine Fraktion bilden, zusammengezählt werden könnten. Nun ist die Ampel-Koalition am Zug und muss entscheiden, wie die Fünf-Prozent-Klausel modifiziert werden soll.

Überhang- und Ausgleichsmandate wurden mit der Reform ebenfalls abgeschafft. Ab der Bundestagswahl 2025 sollte jede Partei nur noch mit so vielen Abgeordneten in den Bundestag einziehen, wie es ihrem Zweitstimmen-Anteil entspricht. Diese Änderung des Wahlrechts erklärte das Gericht für verfassungskonform.

(Bericht von Ursula Knapp und Sabine Wollrab, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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