Ostwahlen könnten Parteienlandschaft verändern

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- von Andreas Rinke -

Berlin, 26. Aug (Reuters) - Wenn Thüringer und Sachsen am Sonntag neue Landtage wählen, könnte sich die Parteienlandschaft zumindest im Osten grundlegend ändern.

Lange Zeit sah es sogar so aus, als ob in Sachsen am Ende nur noch CDU, AfD und das neugegründete BSW im Parlament sitzen könnten - und die drei Ampelparteien SPD, Grüne, FDP sowie die Linke nicht. Die jüngsten Umfragen zeigen nun zumindest die SPD in beiden Ländern deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde. Aber die Zustimmung für AfD, BSW und Linke insgesamt machen Regierungsbildungen absehbar schwierig. AfD und BSW könnten theoretisch von der Empörung über den Anschlag in Solingen profitieren.

Dabei haben die Landtagswahlen im Osten auf den ersten Blick nur eine begrenzte Bedeutung im Bund. In Thüringen sind gerade mal 1,7 Millionen Menschen wahlberechtigt, in Sachsen 3,2 Millionen - Tendenz fallend. Nordrhein-Westfalen hat mehr Einwohner als alle ostdeutschen Bundesländer zusammen. Und in Thüringen regiert mit Bodo Ramelow seit 2014 der erste Ministerpräsident der Linken, der die Arithmetik im Bundesrat verändert hatte - ohne dass das politische System in Gesamtdeutschland kippte.

NEUE KONSTELLATIONEN

Aber erstmals könnte in Thüringen die AfD stärkste Kraft werden, die in beiden Freistaaten als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird. Zwar gilt eine Regierungsbeteiligung als ausgeschlossen, weil keine Partei mit der AfD koalieren will. Doch Werte von bis zu 30 Prozent erschweren die Koalitionsbildung und könnten der Partei Blockademöglichkeiten etwa bei der Benennung von Richtern oder Verfassungsänderungen auf Landesebene geben.

Dazu kommt, dass mit dem BSW eine neue Partei aus dem Stand mit zweistelligen Zustimmungswerten rechnen kann - obwohl sie sowohl in Sachsen als auch Thüringen nur wenige Dutzend Mitglieder hat. In beiden Ländern gilt es mittlerweile wegen der Schwäche der Ampel-Parteien als wahrscheinlich, dass die Partei der früheren Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in Regierungsverantwortung kommt. Denn die CDU hat zwar Verbote einer Zusammenarbeit mit AfD und den Linken beschlossen, nicht aber mit dem BSW.

Geht man nach Umfragen, könnte also zur Umgehung der AfD in Thüringen ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD gebildet werden. Dabei wäre bei Christ- und Sozialdemokraten noch vor Monaten eine Koalition mit der Partei undenkbar gewesen. Sie gelte jetzt als das kleinere Übel im Vergleich zur AfD, heißt es sowohl in der CDU als auch der SPD.

In Sachsen könnte die CDU entweder mit dem BSW zusammengehen oder die SPD noch dazunehmen. Denkbar wäre sogar die Fortsetzung der bisherigen Regierung aus CDU, SPD und Grünen - auch wenn die Union die Grünen scharf kritisiert.

WIRKT SICH SOLINGEN AUS?

In Sachsen gilt derzeit am wahrscheinlichsten, dass sich CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer im Amt behaupten kann. 68 Prozent der Wähler würden ihn laut ZDF-Politbarometer gerne weiter im Amt sehen. Deshalb kann er vielleicht damit rechnen, dass seine CDU am Ende noch zulegt. In Thüringen sieht dies anders aus. Die Zustimmungswerte für Ramelow bewegen sich nur knapp oberhalb der 50 Prozent. Dass die durch die BSW-Gründung dezimierte Linke erneut stärkste Kraft werden kann, gilt als ausgeschlossen. Auch eine Koalition aus BSW, Linken und SPD gilt rechnerisch als unwahrscheinlich.

Als Unsicherheitsfaktor wird nun der Anschlag von Solingen gesehen. Eigentlich rangierte das Thema Migration angesichts gesunkener Zahlen neuankommender Asylbewerber nur bei AfD- und BSW-Anhängern ganz oben auf der Liste der Themen. Prompt gab die AfD nach dem Anschlag die Parole "Höcke oder Solingen" aus - in Anspielung auf ihren Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke.

Meinungsforscher bremsen die Erwartungen: Sowohl Infratest-Wahlforscher Stefan Merz als auch Forsa-Chef Manfred Güllner erwarten nur begrenzte Auswirkungen durch den Anschlag. "Das ist sicher Wasser auf den Mühlen der AfD, die aber mit diesem Thema ohnehin schon mobilisiert", sagt Merz. Güllner und er verweisen zudem darauf, dass im Juni auch der tödliche Anschlag auf einen Polizisten in Mannheim kurz vor der Europawahl die Werte der AfD nicht weiter in die Höhe getrieben habe.

(Redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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