Werbeflaute bremst ProSieben - "Gute Gespräche" zu Firmenverkäufen

Berlin (Reuters) - ProSiebenSat.1 bekommt im Werbegeschäft die Konjunkturflaute in Deutschland zu spüren und wird deshalb 2024 weniger Gewinn machen als geplant.
Zugleich sieht sich der Fernsehkonzern auf gutem Weg, wie von den Großaktionären MFE und PPF mit Nachdruck gefordert, Randaktivitäten zu verkaufen. "Wir können zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass wir uns in einem guten und konstruktiven Gespräch mit potenziellen Bietern befinden", erklärte Finanzchef Martin Mildner am Donnerstag zu den Verkaufsplänen für den Kosmetikanbieter Flaconi und das Vergleichsportal Verivox. Noch könne man "keine genaueren Informationen zum laufenden Prozess und den künftigen Ergebnissen geben", sagte er in einer Telefonkonferenz.
Die Anleger reagierten positiv: Die ProSiebenSat.1-Aktie notierte am Nachmittag 3,6 Prozent im Plus bei 4,81 Euro. Allerdings war das Papier seit Mitte Oktober um rund ein Viertel eingebrochen. Die Anteilseigner haben eine lange Talfahrt hinter sich, denn die Aktie lag im Mai 2021 noch bei über 18 Euro.
DRUCK AUS ITALIEN UND TSCHECHIEN - MEHR TEMPO GEFORDERT
Der ProSiebenSat.1-Vorstand um Chef Bert Habets muss die Senderkette auf Unterhaltung fokussieren, konjunkturbedingte Löcher im Werbegeschäft managen und die Großeigentümer MediaForEurope (MFE) und PPF bei Laune halten. Die MFE-Holding der Berlusconi-Familie hält fast 30 Prozent an ProSiebenSat.1, die tschechische PPF-Gruppe ist mit rund 15 Prozent zweitgrößter Investor. Sie drängen Habets dazu, Randgeschäfte wie Flaconi und Verivox abzugeben. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass MFE eine Übernahme startet, wenn ProSiebenSat.1 auf Entertainment getrimmt ist.
MFE-Finanzchef Marco Giordani erklärte zu den Quartalszahlen, wegen der Schwäche im deutschen Werbemarkt müsse rasch gehandelt werden. Zum Wohle aller Aktionäre sei es für ProSieben wichtig, den Wachstumskurs im Unterhaltungsgeschäft wiederaufzunehmen und den Wert nicht zum Kerngeschäft gehörender Vermögenswerte zu heben und Schulden zu reduzieren. "Wir fordern daher den Aufsichtsrat und den Vorstand auf, schneller zu handeln und Veränderungen und Effizienzmaßnahmen auch durch radikale Entscheidungen ohne weitere Verzögerungen zu beschleunigen." MFE unterstütze als langfristiger Aktionär ProSiebenSat.1, habe aber auch die Pflicht, seine Investitionen zu schützen, betonte Giordani. Auch PPF-Chef Jiri Smejc forderte jüngst im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters schnellere Fortschritte beim Konzernumbau.
WERBEFLAUTE BREMST IM ZWEITEN HALBJAHR
Der ProSieben-Vorstand bekräftigte zwar die Umsatzprognose für 2024, rechnet nun aber mit einem operativen Ergebnis eher am unteren Ende der erwarteten Spanne. Der Umsatz soll in diesem Jahr rund 3,95 Milliarden Euro erreichen, plus/minus 150 Millionen Euro. Aufgrund des Umsatzrückgangs im margenstarken TV-Werbegeschäft im Sommer und einer bisher auch rückläufigen Entwicklung im vierten Quartal rechnet der Konzern 2024 mit weniger als 575 Millionen Euro Gewinn. Bisher lag der Zielwert für das operative Ergebnis bei 575 Millionen Euro, plus/minus 50 Millionen Euro.
Im dritten Quartal sanken die Konzernerlöse um ein Prozent auf 882 Millionen Euro und der Betriebsgewinn (bereinigtes Ebitda) fiel um 5,6 Prozent auf 104 Millionen Euro. Die Entwicklung im Sommer sei angesichts der Konjunktur in Deutschland durchaus solide, sagte DZ-Bank-Analyst Armin Kremser. Der Verkaufsprozess bei Verivox und Flaconi dürfte Fahrt aufnehmen - und ein "Vollzug würde dem Aktienkurs aus unserer Sicht helfen".
(Bericht von Klaus Lauer und Rachel More, redigiert von Ralf Banser - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)