Großprozess geschädigter Wirecard-Anleger begonnen

München (Reuters) - Im Wirecard-Skandal hat in München einer der größten Prozesse der deutschen Geschichte begonnen.
Fast viereinhalb Jahre nach der Pleite des einstigen Dax-Konzerns nahm das Bayerische Oberste Landesgericht am Freitag in München seine Verhandlung über Schadenersatzforderungen von rund 27.500 Anlegern auf.
In dem Prozess nach dem sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) sollen Dutzende Kernfragen von 8500 Einzelprozessen geklärt werden, die vor dem Landgericht München anhängig sind. Das Oberste Landesgericht wollte sich am Freitag zunächst mit der Zulässigkeit einzelner Fragen dieses Katalogs beschäftigen. Im Hintergrund stünden Aktionärsforderungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro, sagte die Vorsitzende Richterin Andrea Schmidt. Beteiligte erwarten ein Urteil erst in einigen Jahren.
Der Andrang in der vom Gericht eigens angemieteten früheren Flughafenhalle am Rande der Münchner Messe war geringer als vielfach erwartet. Auf den rund 300 Zuhörerplätzen nahmen lediglich 70 Personen Platz, darunter zahlreiche Journalisten. Prozessbeteiligte verwiesen auf den Wintereinbruch in München, der möglicherweise einige Interessierte von der Anreise abgehalten habe. Richterin Schmidt an der Spitze des fünfköpfigen Senats benötigte rund zehn Minuten, um die Namen der etwa 50 anwesenden Rechtsanwälte zu verlesen.
Von Anlegern verklagt werden unter anderem der frühere Wirecard-Chef Markus Braun, die Insolvenzverwalter der Unternehmensreste sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die die mutmaßlich falschen Wirecard-Bilanzen abgesegnet hatte. Sie wehren sich gegen die Vorwürfe und ließen sich am Freitag von ihren Anwältinnen und Anwälten vertreten. Braun sitzt wegen des gegen ihn laufenden Strafprozesses in Untersuchungshaft.
Der Münchner Zahlungsdienstleister Wirecard brach im Juni 2020 zusammen. Damals war aufgeflogen, dass dem Konzern auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten.
(Bericht von Jörn Poltzs, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)