Deutschland befindet sich in einer Rezession

Ökonomen-Stimmen zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

onvista · Uhr
Quelle: Natanael Ginting/Shutterstock.com

Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch anhand vorläufiger Daten in Wiesbaden mitteilte. Damit schrumpft die Wirtschaft schon das zweite Jahr in Folge: 2023 war das Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um 0,3 Prozent zurückgegangen.

So bewerten Ökonomen die Entwicklung

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank

„Die Wachstumsbilanz für das Jahr 2024 ist einmal mehr enttäuschend. (...) Im vergangenen Jahr ging es nun erneut in den Rückwärtsgang. Die deutsche Wirtschaft segelt mir ihren gewichtigen Branchen, dem Automobil- und Maschinenbau und ihrer Chemieindustrie, hart am Wind der Weltwirtschaft. Keine andere G7-Nation hängt so stark an den Exporten wie Deutschland. Gleichzeitig müssen die Konsumenten noch immer den Inflationsschock verdauen, der ihnen während der Corona-Pandemie widerfuhr. Die gestiegenen Preise kosteten Kaufkraft.“

Robin Winkler, Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank

„Es sollte niemanden überraschen, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 erneut geschrumpft ist. Was uns allerdings überrascht und Sorge bereitet, ist, dass die Wirtschaftsleistung laut Statistischem Bundesamt im vierten Quartal wahrscheinlich rückläufig war. Falls sich dies bestätigen sollte, hätte die deutsche Konjunktur zu Beginn des Winters nochmal an Schwung verloren. Die aktuelle politische Unsicherheit in Berlin und in Washington dürfte ein wichtiger Faktor gewesen sein.“

Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg

„Das sind die erwartet schlechten Zahlen. Die Investitionen sind regelrecht eingebrochen, was zeigt, wie sehr sich die Standortqualität verschlechtert hat. Der private Konsum konnte zwar zulegen, aber nicht in dem von uns vor einem Jahr erhofften Maße. (...). Von der Fiskalpolitik ist angesichts der Kassenlage erst einmal nichts zu erwarten. Zu alledem kommt, dass sich die Exportchancen mit dem Amtsantritt von Donald Trump weiter verschlechtern dürften. Es spricht derzeit sehr viel dafür, dass 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge sein wird.“

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING

„Im Großen und Ganzen ist die deutsche Industrie das beste Beispiel für die Probleme der gesamten Wirtschaft in den letzten Jahren: Sie steckt zwischen konjunkturellem und strukturellem Gegenwind fest und hat endlich erkannt, dass das alte makroökonomische Geschäftsmodell mit billiger Energie und leicht zugänglichen großen Exportmärkten nicht mehr funktioniert. Zehn Jahre Unterinvestition, eine sich verschlechternde Wettbewerbsfähigkeit und der Wandel Chinas vom Exportland zum erbitterten industriellen Konkurrenten haben ihren Tribut von der deutschen Wirtschaft gefordert - und werden dies auch weiterhin tun.“

Michael Herzum, Leiter Volkswirtschaft bei Union Investment

„Auch 2025 ist kein Wachstum zu erwarten, welches diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Angesichts der aktuellen Datenlage und des drohenden handelspolitischen Gegenwinds aus den USA erwarten wir für die deutsche Konjunktur ein mageres Plus von 0,3 Prozent im Jahresdurchschnitt. Immerhin: Die Inflation sollte in diesem Jahr keine Bedrohung darstellen. Anders als ihr US-Pendant dürfte die Europäische Zentralbank in diesem Jahr ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen - nicht zuletzt wegen der Schwäche der deutschen Wirtschaft.“

Christoph Swonke, Konjunkturanalyst bei der DZ Bank

„Hohe Energiekosten, eine unstete Wirtschaftspolitik und zunehmende Belastungen durch gestiegene bürokratische Anforderungen trüben die Geschäftsaussichten für die Unternehmen weiter ein. Hinzu kommt das Ampel-Aus im November, was die ohnehin schon hohe Unsicherheit weiter verschärft hat. Mehr PS für den Konjunkturmotor sind auch für dieses Jahr eher unwahrscheinlich. Die zahlreichen Probleme, die bislang gebremst haben, werden auch das junge Jahr 2025 beeinflussen. Zudem droht zusätzlicher Gegenwind aus den USA. Deshalb rechnen wir nur mit einer zaghaften Belebung der Konjunkturdynamik und einem schwachen Wachstum von 0,3 Prozent auf Jahressicht. Wichtig ist, dass eine neue Regierung bei Reformen an einem Strang zieht.“

Ulrich Wortberg, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen

„Bleibt zu hoffen, dass es in diesem Jahr zu einer Erholung kommen wird, wozu die Konsumausgaben als Folge erhöhter Reallöhne beitragen könnten. Klare Hinweise auf einen konjunkturellen Aufschwung gibt es mit Blick auf die Stimmungsindikatoren aber noch nicht. Diese verharren bis zuletzt auf niedrigen Niveaus.“

Redaktion onvista/dpa-AFX

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