Teilzeit in Deutschland stärker verbreitet als im EU-Schnitt

Berlin (Reuters) - Teilzeitarbeit ist in Deutschland so weit verbreitet wie in kaum einem anderen EU-Staat.
29 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren gingen im vergangenen Jahr einer Teilzeitbeschäftigung nach, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Höher ist die Teilzeitquote lediglich in den Niederlanden (43 Prozent) und in Österreich (31 Prozent). Der EU-weite Schnitt liegt bei 18 Prozent.
Frauen sind in Deutschland mehr als viermal so häufig in Teilzeit tätig wie Männer: Während 48 Prozent der Frauen Teilzeit arbeiteten, traf dies nur auf zwölf Prozent der Männer zu. Auf EU-Ebene fallen die Geschlechterunterschiede geringer aus: 28 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, bei Männern sind es acht Prozent.
"Eine Teilzeittätigkeit kann als Möglichkeit wahrgenommen werden, Beruf und Familie zu vereinbaren", erklärte das Statistikamt. In Deutschland geht die im EU-Vergleich höhere Teilzeitbeschäftigung mit einer höheren Erwerbstätigkeit, vor allem von Frauen, einher. 77 Prozent der 15- bis 64-jährigen Bevölkerung waren in Deutschland im vorigen Jahr erwerbstätig – "ein Rekordwert", wie es hieß. Der EU-Schnitt liegt bei 71 Prozent.
"ERFREULICHE ENTWICKLUNG"
"In Deutschland ist die Erwerbstätigenquote besonders bei Frauen überdurchschnittlich hoch – eine erfreuliche Entwicklung", sagte die Arbeitszeitexpertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Yvonne Lott. "Die Bundesregierung kann darauf aufbauen, indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter stärkt, etwa durch kluge Arbeitszeitmodelle, die planbare und maßvolle Tagesarbeitszeiten fördern." Die aktuellen Regierungspläne, die tägliche Höchstarbeitszeit abzuschaffen, zielten in die falsche Richtung. Sehr lange Tagesarbeitszeiten gingen zulasten der Planbarkeit. "Die machen es Menschen mit Sorgeverpflichtung schwerer, erwerbstätig zu sein", sagte Lott. "Erst recht, wenn dann der Partner regelmäßig deutlich länger als acht Stunden arbeitet und noch weniger Zeit für Arbeit in Familie oder Haushalt hat."
Insgesamt arbeiten Beschäftigte in Deutschland etwas weniger als im EU-Schnitt. 15- bis 64-jährige Erwerbstätige in Vollzeit haben im vergangenen Jahr 40,2 Wochenstunden geleistet. Der EU-Durchschnitt beträgt 40,3 Stunden. "In den letzten zehn Jahren ist die Arbeitszeit in Deutschland und EU-weit leicht zurückgegangen", fanden die Statistiker heraus: 2014 lag sie hierzulande noch bei 41,5 Wochenstunden, EU-weit bei 41,3 Wochenstunden. "Dagegen hat die geleistete Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten zugenommen", hieß es. Sie betrug zuletzt 21,8 Wochenstunden, während es 2014 nur 19,3 Stunden waren. EU-weit gab es einen Anstieg von 20,6 auf 22,0 Wochenstunden.
Werden sämtliche Erwerbstätige herangezogen, dann hat sich die geleistete Wochenarbeitszeit nur wenig verändert: Sie ging hierzulande von 35,6 Stunden im Jahr 2014 auf aktuell 34,8 Stunden zurück. Dieser Wert lag unter dem EU-Durchschnitt von 37,1 Wochenstunden (2014: 37,4 Stunden). "Dies ist vor allem auf die hohe Teilzeitquote in Deutschland zurückzuführen", erklärten die Statistiker.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)