Apple: Die Kursreaktion sagt viel aus

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Apple-Keynote: Ihr wurde entgegengefiebert, im Vorfeld wurde wild über den Inhalt spekuliert und weltweit war das Interesse riesengroß. Mittwoch-Abend war es soweit. Die Reaktion des Aktienkurses während der Veranstaltung zeigt, dass Apple für die Anleger nicht den großen Wurf gelandet hat. Im Vorfeld zeigte sich die Aktie fest. Am Tag der Präsentation lag sie schon vor Beginn der Show im Minus und daran änderte sich auch nichts. Am Ende ging das Apple-Wertpapier mit einem Verlust von 1,24 Prozent aus dem Handelstag.

Apple-Chef kommt aus dem Schwärmen nicht raus

Die Liste der Superlative, die Tim Cook aufzählte, war lang: Im neuen iPhone Xs stecken nach seinen Worten der „intelligenteste, leistungsstärkste Smartphone-Chip“ sowie „ein revolutionäres Dual-Kamerasystem“. Die Gesichtserkennung FaceID ist schneller geworden und im Modell Xs Max bietet Apple das bislang größte iPhone-Display an. Einen Superlativ hat der Apple-Chef im Steve-Jobs-Theater nicht sonderlich stark erwähnt: Den Preis für das neue Spitzenmodell aus dem Haus Apple. 1099 Dollar soll das iPhone Xs Max kosten. So teuer war noch kein iPhone des Technologie-Riesen zuvor. Für den deutschen Markt würde das wohl bedeuten, dass Apples Spitzenmodell inklusive Mehrwertsteuer für 1649 Euro über die Ladentheke geht. Ich bin gespannt, wer hierzulande bereit ist so tief in die Tasche zu greifen.

Ungeduldige zahlen mehr

Ein weiterer Trick bei den neuen Modellen. Das günstigere iPhone Xr wird es erst ab Ende Oktober geben. Die neuen Xs Modelle schon ab nächster Woche. „Böses dem, der Böses denkt“, hat Forrest Gump mal gesagt. Wer nicht solange auf sein iPhone warten möchte, der muss eben 250 Dollar mehr investieren. Das Xs kostet 999 Dollar, das Xr 749 Dollar

Vor einem Jahr hatte Apple es gewagt, sich mit dem iPhone X in den USA erstmals an die psychologisch wichtige Schwelle von 1000 US-Dollar (ohne Mehrwertsteuer) heranzutasten. Da die Preise in Europa stets die Steuern enthalten, wurde in Deutschland sogar die 1000-Euro-Marke überschritten. Etliche Beobachter bezweifelten damals, dass die Kunden bereit sind, so viel Geld für ein Smartphone auszugeben. Doch sie wurden eines Besseren belehrt. Das teure iPhone X verkaufte sich nach Angaben von Apple besser als die preiswerteren Modelle wie das iPhone 8 und steigerte die Konzerngewinne weiter.

Ins Weihnachtsgeschäft geht Apple jetzt mit drei neuen Modellen und der neuen Apple Watch Series 4. Die Strategie erinnert an das Vorgehen des Konzerns im Jahr 2013, als Apple dem damaligen Spitzenmodell iPhone 5s das um rund 100 Euro billigere iPhone 5c zur Seite stellte. Damals ging die Rechnung für Apple nicht auf, denn die Kunden wollten für einen vergleichsweise geringen Preisunterschied nicht erhebliche Differenzen in der Leistungsfähigkeit hinnehmen. Die Nachteile sprachen sich in der Kundschaft herum, so dass Apple das erfolglose Projekt bereits nach einem Jahr wieder beendete.

Wird das Xr jetzt auch wieder ein Ladenhüter?

Annette Zimmermann von Marktforschungsunternehmen Gartner glaubt aber, dass Apple diesmal besser aufgestellt ist. „Das iPhone Xr enthält den neuen Spitzen-Prozessor und auch die Gesichtserkennung FaceID. Es steht somit nicht im Verdacht, Technik von gestern zu bieten“, sagte Zimmermann der dpa nach der Produktvorführung in Cupertino. Das sei beim gefloppten iPhone 5c damals anders gewesen.

Neue Zielgruppen im Visier

Mit seinen neuen Modellen möchte Apple auf der einen Seite auch die Zocker-Gemeinschaft ansprechen. Bei den Keynotes wurden gleich zwei Spiele gezeigt, die Graphik und Sound demonstrieren sollten. Die Botschaft war klar, auch mit dem iPhone lässt sich kräftig zocken.

Der neue große 6,5-Zoll-Bildschirm richtet sich vor allem an Kunden in Asien, wo solche „Phablets“ (Mix-Wort aus „Phone“ und „Tablet“) besonders populär sind. „Während Samsung mit dem Galaxy Note und andere Hersteller hier erfolgreich unterwegs sind, hatte Apple in dieser Kategorie nichts im Programm“, sagt Zimmermann. „Das war einer der wichtigste Gründe, warum Apple in den letzten Jahren in China nicht mehr gewachsen ist. Mit dem iPhone Xs Max könnte eine Wende eingeleitet werden.“

Auf die Größe allein kommt es nicht an

Für den Erfolg von Apple insgesamt ist aber nicht mehr nur entscheidend, wie viele iPhone-Geräte zu welchem Preis verkauft werden, sondern auch, wie umfangreich der Käufer danach die Smartphones nutzt. So schließen Intensiv-Nutzer häufig ein Speicher-Abo bei Apple ab, um die wertvollen Daten auf dem Gerät in der iCloud zu sichern. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie auch einen Dienst wie Apple Music buchen. Zuletzt hatte das Dienstleistungsgeschäft bei Apple stark zugelegt und Erwartungen bei Investoren geweckt, die manchen Experten jedoch als überzogen erscheinen. So verweist Ed Snyder vom Marktforschungsunternehmen Charter Equity Research darauf, dass sinkende Absatzzahlen beim iPhone letztlich auch zu einem schrumpfenden Service-Geschäft führen würden.

Die beste Smart-Watch der Welt

Die Apple Watch Series 4 soll die Abhängigkeit des Unternehmens vom iPhone-Absatz verringern. Im schnell wachsenden Markt für Computeruhren scheint dieses Vorhaben nach Konzernangaben zu gelingen. Konzernchef Cook pries die Apple Watch als „Smartwatch #1“ und legte mit der vierten Generation der Apple-Uhr nach. Sie verfügt über ein rund 30 Prozent größeres Display und die Träger können den Startbildschirm erstmals nach ihrem eigenen Geschmack gestalten.

Für Gesundheitsfanatiker erste Wahl

Außerdem wurde die Uhr mit neuen medizinischen Funktionen ausgestattet. So kann die Apple Watch künftig erkennen, ob der Besitzer gestürzt ist und bei Bedarf einen Notfall-Anruf auslösen. Außerdem verfügt sie über einen Sensor, der Elektrokardiogramme (EKG) aufzeichnen kann. Gerade in den USA ist das ein wichtiges Feature, weil viele Menschen nicht umfassend krankenversichert sind und sich Routine-Besuche beim Arzt ersparen. Die US-Aufsichtsbehörde FDA hat das Messverfahren bereits zugelassen. In Europa stehen solche Zertifikate aber noch aus, so dass Kunden sich noch gedulden müssen, bis die Funktion hier aktiviert wird.

Mehr gab es nicht

Auf größere Produktneuheiten, die ganze Branchen umkrempeln, werden Apple-Fans aber noch länger warten müssen. Die Apple-Ingenieure arbeiten dem Vernehmen nach intensiv an einer Computer-Brille, die ähnlich wie beim Konzept von Google Glass künstliche Realität und die Wirklichkeit miteinander vermengen soll. Im Gegensatz zu dem Google-Flop soll die Technik hier funktionieren und das Gerät datenschutzfreundlicher ausgelegt sein.

Außerdem forschen etliche Apple-Mitarbeiter an der Technik für selbstfahrende Autos. Doch hier ist weiterhin unklar, wie weit Apple sich solo in den schwierigen Automobilmarkt vorwagen wird oder nur Kooperationen mit Herstellern oder Dienstleistern sucht.

Der große Wurf blieb aus

Die Anleger bleiben vorerst skeptisch. Den Aktienkurs ließ die Apple-Keynote kalt. Aber auch vergangenes Jahr löste die Apple Präsentation keine Jubelstürme aus. Erst nach den Zahlen zum Weihnachtsgeschäft, das vierte Quartal ist bekanntlich das stärkste bei Apple, war klar, wie die neuen Produkte angenommen worden sind. Im Anschluss machte sich die Aktie des Technologie-Riesen aus Cupertino auf den Weg Richtung Süden und Apple wurde, mit freundlicher Unterstützung von Warren Buffett, der erste US-Konzern der über eine Billion Dollar wert ist.

Daher ist nicht nur für das iPhone Xr Geduld gefragt.

Von Markus Weingran

Foto: Songquan Deng / Shutterstock.com

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