Bayer: Die Corona-Krise ist keine große Belastung für den Pharma-Riesen – Glyphosat steht weiter im Fokus – Das erwarten die Analysten

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Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer legt am Montag (27. April) die Zahlen für das erste Quartal 2019 vor. Am Dienstag, 28. April, folgt die Hauptversammlung – wegen der Corona-Krise online.

So sieht es aus bei Bayer

Derzeit ächzen viele Konzerne unter den Lasten der Coronavirus-Krise. Geschäfte sind geschlossen, der Reiseverkehr ist zusammengebrochen und Konsumenten halten sich angesichts ungewisser wirtschaftlicher Perspektiven zurück. Anders bei Bayer: Zwar könnte die Krise im Jahresverlauf Kratzer hinterlassen, insgesamt stehen die Leverkusener aber recht gut da.

Die Landwirtschaft gilt in vielen Ländern als systemrelevant und ist daher kaum von den Einschränkungen betroffen. Landwirte bekämpfen weiterhin Unkräuter und bringen Saatgut aus. Gerade in den USA dürfte das Geschäft mit Mais- und Sojasamen dieses Jahr besser laufen, nachdem 2019 Überschwemmungen in Teilen des Mittleren Westens den Farmern das Leben schwergemacht hatten.

Zugleich bleibt das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten der Sparte Consumer Health auf Erholungskurs. Der Umbau des Segments inklusive des Verkaufs schwächelnder US-Geschäftsteile rund um Sonnenschutz und Fußpflege zahlt sich aus. Im Pharmageschäft bleibt abzuwarten, ob Verschiebungen nicht dringend notwendiger Behandlungen wegen des Platzbedarfs der Krankenhäuser für Corona-Patienten gebremst haben. Am ehesten könnte sich das Experten zufolge auf das Augenmedikament Eylea auswirken.

Das Umsatzwachstum des wichtigen Umsatztreibers Xarelto steht in diesem Zusammenhang ebenfalls im Fokus. Zu dem Gerinnungshemmer gab es zuletzt positive Nachrichten: Analysten lobten Studiendaten zu Patienten mit Durchblutungsstörungen in den Beinen, die sich deswegen einem Eingriff unterziehen mussten, und hoffen nun auf noch mehr Umsatz. Zudem stärkt Bayer beständig das Arsenal an Mitteln zur Behandlung von Krebs.

Glyphosat bleibt das bestimmende Thema

Abseits des Tagesgeschäfts treibt Investoren und Analysten das Thema Glyphosat weiter um. Eigentlich rechneten Experten mit einer Lösung im US-Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken rund um den Unkrautvernichter des übernommenen US-Saatgutkonzerns Monsanto bis zu Hauptversammlung am 28. April. Das ist nur ein Tag nach der Vorlage der Zahlen für das erste Quartal. Ob der Zeitplan angesichts der Virus-Krise zu halten ist, scheint aber fraglich. Unabhängig davon bleiben Analysten optimistisch, dass das Thema bald vom Tisch ist.

So hatte das „Wall Street Journal“ Mitte März unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet, dass sich Bayer bereits mit sechs Anwaltskanzleien, die im Auftrag Zehntausender Kläger verhandelten, auf einen Vergleichsentwurf geeinigt habe. Der Kompromiss sehe eine Zahlung in der Größenordnung von zehn Milliarden Dollar vor, hieß es. Die Dimension würde auch in etwa den Markterwartungen entsprechen.

Sollte sich eine Glyphosat-Einigung nur wegen des Corona-Ausbruchs verzögern, könnten gerade große Investoren auf der Hauptversammlung mit Bayer-Chef Werner Baumann gnädiger sein als im vergangenen Jahr. Da hatte die Aktionärsversammlung dem Firmenlenker das Misstrauen ausgesprochen. Das hatte zwar keine juristischen Folgen, war aber ein schwerer Schuss vor den Bug und einmalig für einen Dax-Konzern.

Mit Blick auf die Kosten eines Vergleichs sieht sich Bayer gut gerüstet. Das hatte Finanzchef Wolfgang Nickl bereits Ende Februar betont. Allein der Verkauf der Tiermedizin soll Bayer 7,6 Milliarden Dollar (rund 7 Mrd Euro) einbringen – den Großteil davon in bar, einen kleineren Teil in Aktien des Käufers Elanco.

Bayer weist Vorwürfe über Doppelstandards mit Pestiziden zurück

Eine Studie mit Vorwürfen zu Doppelstandards im Handel mit Pestiziden hat Bayer am heutigen Donnerstag zurückgewiesen. „Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus und stellt mitnichten einen Doppelstandard dar“, sagte ein Sprecher des Leverkusener Unternehmens am Donnerstag auf Anfrage. Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über die Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Kirchenhilfswerk Misereor und mehrerer anderer Organisationen berichtet.

In der Studie geht es darum, dass Bayer und auch BASF in Staaten wie Südafrika und Brasilien Pestizide vertreiben, die EU-Standards nicht genügen – also die in der EU nicht zugelassen sind oder deren Zulassung aufgrund von Sicherheitsbedenken zurückgezogen wurden. Die Studienautoren bezeichnen dies als „Doppelstandards“ und werfen den Unternehmen vor, im globalen Süden „hochgefährliche Pestizide“ zu vermarkten, „die in der EU gar nicht im Umlauf sein dürfen“.

„Auch viele andere Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt verfügen über sehr robuste und hoch entwickelte Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“, heißt es in der Stellungnahme von Bayer. Darin spiegelten sich die spezifischen Bedingungen verschiedener Länder wider.

Bayer verkaufe seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als besonders toxisch eingestuft werden. Seit 2016 gebe es außerdem eine Verpflichtung, nur Produkte zu vertreiben, deren Wirkstoffe in mindestens einem Land der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) registriert sind. Seit 2019 sollten Produkte zudem von einer Mehrheit internationaler Behörden zugelassen sein.

So ist die Prognose

Für das laufende Jahr peilt das Management vor Wechselkurseffekten sowie dem Zu- und Verkauf von Unternehmensteilen ein Umsatzwachstum um 3 bis 4 Prozent auf 44 bis 45 Milliarden Euro an. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereinflüssen sollten davon etwa 28 Prozent hängen bleiben, was einen operativen Gewinn von etwa 12,3 bis 12,6 Milliarden Euro signalisiert.

Die Prognosen enthalten allerdings noch keine Abschätzung der Corona-Effekte. Zudem geht Bayer davon aus, dass das Tiermedizin-Geschäft ab dem 1. Juli an Elanco übergeht.

Das sagen die Analysten

Experten rechnen laut von Bayer zur Verfügung gestellten Daten im Durchschnitt für das erste Quartal mit einem Anstieg des Umsatz um knapp 3 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ebitda dürfte demnach um ebenfalls rund 3 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro gestiegen. Unter dem Strich sollte das Ergebnis auf Basis fortgeführter Geschäftstätigkeit um mehr als die Hälfte auf 1,77 Milliarden Euro nach oben geschnellt sein.

Insgesamt erscheine Bayer recht robust, was die Folgen der weltweiten Coronavirus-Pandemie angeht, erklärt Analyst Markus Mayer von der Baader Bank. Zwar würden viele nicht dringend notwendige Operationen in Krankenhäusern verschoben, was auf der Nachfrage etwa nach dem Gerinnungshemmer Xarelto lasten könnte. Bei anderen Medikamente – gerade bei denen gegen Krebs – könnte das aber anders aussehen. Auch dürfte die Nachfrage nach rezeptfreien Mitteln gegen Erkältungen und Grippe sogar profitiert haben. Mit Blick auf das Agargeschäft sieht Mayer zumindest vorerst kaum Einschränkungen, da Landwirtschaft zur kritischen Infrastruktur zähle und daher kaum Corona-Einschränkungen unterworfen sei.

Ähnlich sieht es Analyst Richard Vosser von der Bank JPMorgan. Er rechnet mit starken Zahlen für das erste Quartal, getrieben vom Geschäft mit freiverkäuflichen Medikamenten sowie der Landwirtschaft. So würden in den USA Mais und Soja wieder auf mehr Fläche angebaut, und in Lateinamerika sollte es zum Ende der dortigen Saatsaison gut gelaufen sein.

Die Pharmasparte sollte sich in den ersten drei Monaten des Jahres laut Vosser noch recht gut gehalten haben, wenngleich hier die Belastungen durch die Corona-Krise im zweiten Quartal deutlicher ausfallen könnten. Gerade beim Augenmedikament Eylea könnten nicht notwendige Injektionen verschoben worden sein oder verschoben werden.

Für 2020 haben Analysten laut den von Bayer zur Verfügung gestellten Daten im Mittel einen Umsatz von 44,3 Milliarden Euro sowie ein Ebitda vor Sondereffekten in Höhe von 12,26 Milliarden Euro auf dem Zettel.

So steht es um die Aktie

Bis zum Beginn des Corona-Crashs an den Aktienbörsen waren die Bayer-Papiere auf Erholungskurs. Mit etwas mehr als 78 Euro kosteten sie Anfang Februar so viel wie zuletzt im Herbst 2018. Im Sog des Corona-Kurssturzes, der ab dem 24. Februar so richtig Fahrt aufnahm, ging es dann bis auf weniger als 45 Euro nach unten.

Zuletzt kosteten die Anteilsscheine um die 59 Euro. Mit einem Plus von rund 31 Prozent seit dem Corona-Tief laufen die Bayer-Papiere damit dem deutschen Leitindex Dax sogar ein wenig voraus. So erholte sich das Börsenbarometer vom Crash-Tief bislang um rund ein Viertel.

Beim weiteren Blick zurück bleibt das Bild indes vorerst trüb: Seit der ersten Prozessschlappe im Glyposat-Streit im August 2018 steht auf dem Kurszettel immer noch ein Minus von etwa 37 Prozent. Von dem im Frühjahr 2015 erreichten Rekordhoch bei 146,45 Euro aus gerechnet ging es sogar um rund 60 Prozent abwärts.

Immerhin schafft es Bayer mit einem Marktwert von rund 59 Milliarden Euro noch unter die Top 10 im Dax. Allerdings bringen die Leverkusener damit auf Basis des aktuellen Euro-Dollar-Wechselkurses nun in etwa so viel auf die Börsenwaage, wie sie für Monsanto gezahlt haben. Im April 2015 auf Kurs-Rekordniveau hatten sie mit einer Marktkapitalisierung von 120 Milliarden Euro noch den Spitzenplatz im Dax inne.

Damals konnte nur Volkswagen dem Bayer-Konzern in Sachen Börsenwert knapp das Wasser reichen. Nach Dieselskandal und Autoflaute ist der Wert der Wolfsburger aber auch auf zuletzt rund 63 Milliarden Euro eingebrochen. Damit hinken die Börsenwerte der beiden Konzerne dem einsamen Dax-Spitzenreiter SAP, der es auf 133 Milliarden Euro bringt, sogar in Summe noch hinterher.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: ricochet64 / Shutterstock.com

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