BlackRock Marktausblick: Putins Gnaden

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Das Update zur Woche mit Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie bei BlackRock




Putins Gnaden

Vielleicht hatte Nietzsches Zarathustra Recht und wir alle befinden uns in einer Endlosschleife „ewiger Wiederkunft“. Jedenfalls rätselt die Welt, was wohl im Kopf des russischen Präsidenten vorgeht. Ist er der kühl kalkulierende ehemalige KGB-Agent oder vielmehr doch der nächste Irre, der dem Lauf der Geschichte die Provokation eines weiteren großen Krieges hinzufügt? Für ersteres spricht, dass eine Eroberung der Ukraine oder deren Teile auch für Russland höchstwahrscheinlich negativ ausgehen würde und Putin dies eigentlich wissen muss. Dann wäre die seit dem Kalten Krieg in Europa nie dagewesene Drohkulisse von inzwischen über 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine wirklich nur der Einsatz in einem makabren Spiel. Für letzteres spricht leider auch einiges, darunter das Alter und die Selbstwahrnehmung des russischen Präsidenten (er wird 70 und hält sich für den einzigen, der die gefühlte historische Fehlentwicklung seit Ende der Sowjetunion korrigieren kann), vermutlich auch ein Eindruck von Schwäche des Westens, gepaart mit gefährlicher Beratungsresistenz (nach 22 Jahren als Alleinherrscher dürfte kaum noch jemand Putin etwas sagen, das er nicht hören möchte). Für Finanzmarktteilnehmer hängt an der Beantwortung dieser Frage viel, möglicherweise die Performance des gesamten Jahres. Und so schwankt der Markt zwischen Hoffen und Bangen. In den letzten Tagen standen Anzeichen einer konkreten Kriegsgefahr (Fortführung russischer „Manöver“ in Belarus, dem Schwarzen Meer und der Donbass-nahen Grenzregion sowie Evakuierung der dortigen russischstämmigen Bevölkerung) immer wieder zarten Entspannungshinweisen gegenüber (möglicher Verzicht auf eine NATO-Option für die Ukraine, Krisengipfel Putin/Biden). Die Gefahr ist keineswegs gebannt. Bei Investoren bleiben sichere Häfen gefragt, der Ölpreis erreicht die 100 Dollar-Marke. Sollte es wirklich zum Krieg kommen, dürfte eine weitere markante Risk-off-Positionierung vorgezeichnet sein. Entsprechend wären zunächst hoch bewertete Risikoaktiva gefährdet, später über den Umweg stark steigender Energiepreise und eventueller Beeinträchtigungen für den Welthandel auch das Wirtschaftswachstum und damit eine breit angelegte Abschwächung der Unternehmensergebnisse. Anleihewerte könnten sich in diesem Szenario besser entwickeln als die meisten Prognosen (auch unsere) es ansonsten für dieses Jahr vorhersehen. Eine besondere Schwierigkeit besteht zudem darin, zwischen einem begrenzten Konflikt (von US-Präsident Biden wurde hierfür der Begriff ‚minor incursion‘ kreiert), etwa einer Annexion des Donbass, und einer umfassenden Invasion zu unterscheiden. Denn vermutlich wäre in jedem Fall eine Eskalation im Donbass der erste Schritt, und niemand könnte sagen, ob es Russland dabei bewenden lässt oder auf Kiew vorrückt. Die Schwierigkeit, zwischen derart folgenschweren Szenarien abzuwägen, dürfte noch wochen-, vielleicht monatelang die Märkte prägen.

Zentralbanken haben sich verheddert

Die Drohkulisse einer Krieges in Europa gesellt sich zu einer ohnehin nicht ganz einfachen Lage für Anleger, nämlich dem angekündigten Rückzug der Zentralbanken. Damit entsteht eine für viele ungewohnte Situation, denn die Zentralbanken sind, spätestens seit der Finanzkrise, der alles entscheidende Akteur an den Märkten gewesen. Nun aber stellen Fed, EZB & Co. richtigerweise fest, dass sich die Wirtschaft aus der Pandemie heraus erholt und der massive Stimulus der letzten beiden Jahre nicht mehr notwendig ist. Leider verzetteln sich die Zentralbanken dabei in ihrer Kommunikation, denn sie erwecken gleichzeitig - und diesmal fälschlicherweise - den Eindruck, als würden und müssten sie die hohe Inflation bekämpfen. Dabei können sie, sollte das wirklich der Plan sein, nur verlieren, denn von der Angebotsseite herrührende Inflation lässt sich nur mit erheblichen (nachfrageseitigen) Anpassungskosten erreichen. Beim Versuch, eine im Kern vermutlich vorübergehende Preisdynamik ins Korsett zu zwingen, könnte man also schnell zu stark einbremsen und völlig unnötig eine Rezession provozieren. Sollten Zentralbanker sich also weiter von orthodoxem Inflationsgeschrei nervös machen lassen, wären das zusätzlich besorgniserregende Zeichen. Vorzuziehen wäre eine Kommunikation, in der die Notenbanken klarmachen, dass übermäßige Geldflutung angesichts des absehbaren Endes der Pandemie nicht mehr angemessen ist, dies aber keineswegs eine drastische Verschärfung der Finanzierungsbedingungen bedeutet.
In dieser Woche stehen wieder volkswirtschaftliche Indikatoren auf der Agenda. Einkaufsmanagerindizes und Ifo-Index dürften weitere Belege für eine Annäherung an den Vorkrisentrend liefern, während in den USA das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß (‚core PCE‘) das Überschreiten der maximalen Preisdynamik signalisieren könnte. Gleichzeitig sorgt die weiter laufende Q4-Berichtssaison für den Nachweis erfolgreich arbeitender Unternehmen. Allein, es sind nicht so sehr die guten Nachrichten von Neustart und Normalität, die derzeit das Bild prägen. Die Marschrichtung der nächsten Monate wird eher vorgegeben durch die Frage, ob die Zentralbanken die Deutungshoheit über Zinsen und Inflation zurückgewinnen. Von Spekulationen darüber, was im Kopf des Kreml-Herrn vorgeht, ganz abgesehen.

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