Coronavirus Update: Merkel stellt Bürger auf lang anhaltende Beschränkungen ein – Weltärztepräsident nennt Pflicht für Schals oder Tücher „lächerlich“

onvista · Uhr

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Bürgerinnen und Bürger darauf eingestellt, dass die Beschränkungen in der Corona-Krise noch lang anhalten werden. „Ich verstehe, dass dieses Leben unter Corona-Bedingungen allen schon sehr, sehr lange vorkommt“, sagte Merkel am Donnerstag in ihrer ersten Regierungserklärung zur Corona-Pandemie im Bundestag. Niemand höre es gerne, aber es sei die Wahrheit: „Wir leben nicht in der Endphase der Pandemie, sondern immer noch an ihrem Anfang. Wir werden noch lange mit diesem Virus leben müssen.“

„Zwischenergebnis ist zerbrechlich“

Derzeit gebe es nur Zwischenergebnisse der Pandemie. Und „dieses Zwischenergebnis ist zerbrechlich. Wir bewegen uns auf dünnem Eis, man kann auch sagen: auf dünnstem Eis.“ Und weiter sagte die Kanzlern: „Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung, denn sie schränkt genau das ein, was unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse sind.“ Eine solche Situation sei nur akzeptabel und erträglich, wenn die Gründe für die Einschränkungen transparent und nachvollziehbar seien und wenn Kritik und Widerspruch nicht nur erlaubt, sondern eingefordert und angehört würden – wechselseitig.

Nichts sei ihr bisher schwerer gefallen als die Beschränkung freiheitlicher Grundrechte, sagte Merkel. Ganz besonders belaste sie, wie die Menschen in Pflege- oder Altenheimen in dieser Krise weitgehend isoliert leben müssten, wo Einsamkeit ohnehin ständig zugegen sei. Es sei „grausam“, wenn außer der engagierten Pflegekraft niemand da sein könne. „Vergessen wir nie diese Menschen.“ Gerade die 80- bis 90-Jährigen hätten den Wohlstand des Landes begründet und aufgebaut.

Die Frage, wie man verhindere, dass das Virus das Gesundheitssystem überwältige und dann unzählige Menschen das Leben koste, werde noch lange die zentrale Frage für die Politik in Deutschland und Europa sein, sagte die Kanzlerin. „Unser Gesundheitssystem hält der Bewährungsprobe bisher stand.“

Vorgehen der Bundesländer teilweise „sehr forsch“

Das Vorgehen einzelner Bundesländer bei der Öffnung der Beschränkungen kritisierte die Kanzlerin. Die Umsetzung der Beschlüsse von Bund und Ländern aus der vergangenen Woche wirke auf sie „in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch“. Welche Länder sie meinte, sagte Merkel nicht.

Die Kanzlerin sicherte zugleich der Weltgesundheitsorganisation (WHO) volle Unterstützung zu. „Die WHO ist ein unverzichtbarer Partner, und wir unterstützen sie in ihrem Mandat.“ US-Präsident Donald Trump hatte das Agieren der WHO in der Corona-Krise scharf kritisiert und die Streichung der finanziellen Mittel angekündigt. Dafür ist er international scharf kritisiert worden.

Weltärztepräsident nennt Pflicht für Schals oder Tücher ‚lächerlich‘

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hat die inzwischen für ganz Deutschland beschlossene Maskenpflicht im Kampf gegen das Coronavirus kritisiert. „Ich trage selber eine Maske, aus Höflichkeit und Solidarität, halte eine gesetzliche Pflicht aber für falsch“, sagte Montgomery der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

Denn: „Wer eine Maske trägt, wähnt sich sicher, er vergisst den allein entscheidenden Mindestabstand“, betonte der Mediziner. Bei unsachgemäßem Gebrauch könnten Masken gefährlich werden. Im Stoff konzentriere sich das Virus, beim Abnehmen berühre man die Gesichtshaut, schneller könne man sich kaum infizieren.

Aus Sicht von Montgomery sollte es eine gesetzliche Maskenpflicht nur für echte Schutzmasken geben – eine Pflicht für Schals oder Tücher sei „lächerlich“. Zugleich verwies er darauf, dass man derzeit noch alle „echt wirksamen Masken“ für das medizinische Personal, Pflegende und Gefährdete brauche. Sarkastisch warf er die Frage auf: „Aber was will man gegen den Überbietungswettbewerb föderaler Landespolitiker mit rationalen Argumenten tun?“

UN: Corona-Bekämpfung darf kein Vorwand für Repression sein

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Einhaltung der Menschenrechte im Kampf gegen das Coronavirus angemahnt. „Wir haben gesehen, wie das Virus selbst nicht diskriminiert, aber seine Auswirkungen – indem es tiefe Schwächen der öffentlichen Dienstleistungen und strukturelle Ungleichheiten aufdeckt, die den Zugang zu ihnen behindern“, sagte Guterres am Donnerstag in einer Videobotschaft. Menschenrechte müssten deshalb im Zentrum der Antwort auf die Pandemie stehen.

Guterres betonte dabei die „unverhältnismäßigen Auswirkungen auf bestimmte Gemeinschaften“, die Zunahme von Hassreden im Internet und Angriffe auf schutzbedürftige Gruppen, die Maßnahmen gegen Covid-19 untergrüben. Vor dem Hintergrund steigenden Nationalismus, Populismus und autoritärer Führung könne die Krise in einigen Ländern als „Vorwand“ für repressive Politik herhalten. Dies sei „inakzeptabel“, Regierungen müssten transparent vorgehen und seien Rechenschaft für ihre Maßnahmen schuldig. „Lassen sie uns niemals vergessen – die Bedrohung ist das Virus, nicht die Menschen.“

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: StunningArt / Shutterstock.com

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