Dax: Gut gebrüllt Bär – Zeit, das Spielfeld zu verlassen?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Geht es nach der Charttechnik ist die 11.000 nur eine psychologische Marke. Für die Experten der Kunst wird es erst um 10.800 Punkte richtig brenzlig, da der Dax hier den seit 2009 andauernden Aufwärtstrend verlassen würde. Ob die Anleger diesen kleinen aber feinen Unterschied von etwas mehr als 200 Punkten beachten werden, ist allerdings mehr als fraglich, wenn der deutsche Leitindex unter 11.000 Punkte fällt.

Psychologische Marke hin oder her

Sollte der Dax unter 11.000 Punkte fallen, dürfte die aktuelle Angst noch ein Stück weit zunehmen. Zu viele Probleme schweben gerade über dem Markt. Da wäre das Hickhack um den Brexit, die Streitigkeiten um den italienischen Staatshaushalt und der Handelskrieg zwischen den USA und China. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges.

Quartalszahlen und Ausblicke sorgen nicht für Ruhe

Besonders die amerikanischen Techwerte sorgen für weitere Unruhe. Die High-Flyer können nicht mehr die Erwartungen erfüllen und drücken auf die Stimmung. Die jahrelang gefeierten FANG-Aktien sind das beste Beispiel dafür. Facebook schwächelt in Europa, Amazon konnte mit dem Ausblick nicht überzeugen, Netflix hat mitunter Bildstörungen bei den Abonnentenzahlen und Google/Alphabet ist für das Abschlussquartal auch nicht so euphorisch wie gewünscht.

Apple verstärkt den Eindruck  

Der Techgigant aus Cupertino war der Star der Branche. Als erstes US-Unternehmen erreichte Apple einen Marktwert von über einer Trillion US-Dollar. Seit diesem Spitzenwert hat der iPhone-Produzent aber auch schon wieder fast 270 Billionen Dollar an Marktkapitalisierung eingebüßt. Zum einen passte der Ausblick auf das Weihnachtsquartal nicht, zum anderen verhärten sich die Gerüchte, dass die neuen iPhone Modelle nicht so ankommen wie gewünscht. Reihenweise kappen Apple-Zulieferer die Prognose, was zu weiteren Kursstürzen neben Apple führt.

Überflieger Nvidia strauchelt auch

Den heimlichen Star der Branche hat es jetzt auch erwischt. Im Schatten der FANG-Aktien und Apple zog Nvidia schön seine Kreise. Die Aktie hatte in den vergangenen 3 Jahren in der Spitze fast 600 Prozent zugelegt. Mittlerweile hat sich der Kurs seit dem All-Time-High Anfang Oktober mehr als halbiert. Auch das ist mal ein Wort.

Ist die Party vorbei?

Ein Blick auf die Kurszettel verheißt heute nichts Gutes. Der deutsche Leitindex liegt über 1,5 Prozent im Minus. Beim Rest der Dax-Familie sieht es noch schlimmer aus. An der Wall Street regieren ebenfalls die roten Vorzeichen. Die großen US-Indizes lassen heute kräftig Federn. An sowas wie eine Jahresendrally mag heute niemand denken. Es sieht eher danach aus, als ob an den Märkten die bloße Panik regiert.

Selbst gut Nachrichten schützen nicht

Wirecard hat heute die Prognose für das kommende Jahr präsentiert. Demnach stehen die Weichen weiterhin kräftig auf Wachstum. Trotzdem setzt die Aktie ihren Abwärtstrend ungebremst fort. Hätte Covestro am Nachmittag nicht eine Gewinnwarnung ausgesprochen und wäre mit einem zweistelligen Minus am Bezahldienstleister vorbeigezogen, die Rote Laterne im Dax wäre erneut an Wirecard gegangen. Im Tec-Dax hatte sich die Aktie seit Jahresanfang verdoppelt. Die Wohlfühlzeit war im Dax schnell vorbei. In der ersten Börsenliga ist der Gewinn seit Anfang Januar auf weniger als 40 Prozent geschmolzen.

Seitenrand die beste Wahl? 

Jetzt in den Markt einzusteigen ist sicherlich kein empfehlenswerter Tipp. Es liegt zu viel Rauch in der Luft und aktuell ist auch nicht abzusehen, wann er sich verzogen hat. Bis es soweit ist, sollten Anleger besonnen im Markt agieren und kein unnötiges Risiko eingehen. Immer im Hinterkopf behalten, dass auch die Experten in den seltensten Fällen den optimalen Zeitpunkt beim Ein- und Ausstieg erwischen. Daher ist es oft ratsam, lieber etwas länger am Spielfeldrand zu stehen.

Begründung gefällig

Laut einer Untersuchung von etwa 6.000 aktiv gemanagten Fonds durch den ETF-Anbieter Lyxor schafften es in den ersten drei Quartalen dieses Jahr nur 31 Prozent der aktiven Fonds, die jeweilige Messlatte mindestens zu erreichen, im Gesamtjahr 2017 waren das noch 44 Prozent, wie „börse.ARD.de“ berichtet. Die Fachleute haben es also auch schwer.

Neue Spielwiese gesucht

Große Investoren sind relativ emotionslos. Ist ein Feld abgegrast, dann wird ein neues gesucht. In der Vergangenheit war das oft Gold. Der Aspekt „sicherer Hafen“ hat den Trend meist unterstützt. Aber auch das gelbe Edelmetall scheint noch nicht attraktiv genug zu sein für einen Wechsel. Auch wenn der ehemalige Bear Stearns Manager Jesse Felder in seinem „The Felder Report“ den Abgesang auf die FANG-Aktien gestartet hat und den BANG-Aktien die Zukunft prophezeit. BANG steht dabei für Barrick Gold, Agnico Eagle, Newmont und Goldcorp. Für Felder sind die 4 Aktien „The ultimative anti-passiv Investment“.

Vorsicht bleibt Trumpf

Vielleicht behält Herr Felder ja recht. Vielleicht dreht sich aber bald schon alles um Palladium. Seit August ist der Preis für das Metall um 40 Prozent zugelegt und ist bald schon so teuer wie Gold. Aktuell scheint sich ein neuer Trend an den Märkten noch nicht etabliert zu haben. Bis dahin könnte es auch heißen: „Totgesagte leben länger!“ Vielleicht feiern die Tech-Werte ja auch ein Comeback. Bis das alles entschieden ist, dürfte es nicht verkehrt sein, die Cash-Quote hoch zu halten.

Von Markus Weingran

Foto: Scott E Read / Shutterstock.com

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