Drei Fragen an Bernecker: EZB, Dax und Telekom – welche Richtung schlägt das Trio im Dezember ein?

onvista · Uhr

Wie gewohnt stellen wir dem Börsenexperten Hans A. Bernercker zum Wochenende hin 3 Fragen. Diese Woche wollten wir wissen warum die Telekom-Aktie nicht beliebter ist, was den Dax noch höher treiben könnte und welchen Kurs die EZB einschlagen könnte.

onvista: Herr Bernecker, kann die EZB überhaupt an der Zinsschraube drehen, um der hohen Inflation entgegenzuwirken?

Inflationen entstehen in der Regel in einer freien Wirtschaft, begleitet werden sie ab gewissen kritischen Punkten von der Notenbank des jeweiligen Landes. Zins und Inflation hängen also bedingt zusammen, aber nicht unbedingt. Die deutschen Erfahrungen haben eine besondere Bedeutung, weil wir die einzigen sind, die in den letzten 100 Jahren schon zweimal riesige Inflationen und anschließend einen massiven Wertverlust liquider Vermögen erlebten. Auf diese Erfahrungen baute die Deutsche Bundesbank ab 1948 ihre gesamte Geldpolitik auf. Zu ihren Statuten gehörte die Stabilisierung bzw. Verteidigung des Wertes der D-Mark. Dafür entwickelte sie eine Richtlinie für die Steuerung der Geldmenge in Deutschland. Es war die „potenzialorientierte Geldmenge“, die zum Vorbild für viele andere Notenbanken wurde. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, gelang es damit in der ersten schwierigen Inflationsphase ab 1974 (Ölkrise), die Inflation so weit wie möglich im Griff zu behalten, obwohl die deutsche Fiskalpolitik permanent auszubrechen drohte. Die Amerikaner landeten bei 16 % T-Bond-Renditen und 9 % Inflation. Deutschland schaffte es bis knapp 9 % Bundesrendite und eine Inflation um 6 %. Ergebnis: Eine gekonnte Geldmengenpolitik verhindert keine Inflation, macht sie aber beherrschbar. Das kann die EZB leider nicht, denn sie steht nicht für ein Land, sondern für 19 Länder mit sehr unterschiedlichen Strukturen und politischen Gegebenheiten.

onvista: Die Quartalsberichtssaison ist so gut wie durch. Woher kann der Dax jetzt noch Futter für ein Fortsetzung der Jahresendrallye bekommen?

Die Berichtssaison ist zu Ende. Die positiven Überraschungen überwogen. Der Stand der Geschäfte von 2019, sowohl bei Umsatz wie Gewinn, wurde schon von vielen Firmen erreicht oder wird demnächst erreicht werden. So lauten die überwiegenden Kommentare. Ohne das Geld der Notenbanken verändert sich jedoch der Rückenwind. Dann kommt es darauf an, was ab jetzt jede einzelne Firma mit ihren Geschäften macht; sie entweder neu strukturiert oder völlig neue Geschäfte aufbaut, wofür der Rahmen Klima und Digitalisierung zwei wichtige Größenordnungen ergeben. Vereinfacht gesagt: Mit dem Rückenwind der EZB-Gelder entstand ein Index-Gewinn für alle Europäer von rund 15 bis 16 % seit Jahresanfang. Ohne den Rückenwind reduziert sich das Index-Potenzial auf vielleicht 10 % als Richtlinie. Das ergibt einen soliden Basistrend mit hinreichenden Varianten für sehr spezielle Investments. Vive la difference!

onvista: Im Sommer hatte die Telekom-Aktie einen Lauf und danach ging es wieder steil bergab. Warum werden die Anleger nicht warm mit der Aktie?

Die Deutsche Telekom erreichte in den letzten Jahren ein überzeugendes Ergebnis dadurch, dass ihre amerikanische Tochter den größten Gewinn brachte, während das Inlandsgeschäft der Mutter erstaunlich bescheiden lief. Darin liegt der Widerspruch in der Einschätzung. Mit dieser Politik kann die Telekom schrittweise zulegen, bleibt aber auf Telekom beschränkt. Eine neue Dynamik entstünde, wenn es denn Bonnern einfällt oder gelingt, etwa im Streaming oder in anderen Formaten die internationale Kommunikation zum Geschäftsfeld auszubauen. Vorbilder dafür sind die Amerikaner, AT&T und Verizon, die dies bereits deutlich forcieren. Also: Mit Telekom allein entsteht keine unternehmerische Fantasie, die der Markt nun einmal benötigt, um eine Zukunft in einem solchen Unternehmen zu sehen. Rein rechnerische lässt sich der Value der Aktie der Telekom bei 23 bis 26 Euro schätzen. Hinzu kommt: Die Mehrheit liegt bei Bund und KfW. Damit ist sicher, dass kein großer Investor oder Fonds die Deutsche Telekom für ein interessantes Investment hält.

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