Drei Fragen an Bernecker: FED und EZB haben gesprochen, was ist davon zu halten und wie wird das Börsenjahr 2020?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach einer Einschätzung zu den jüngsten Notenbanksitzungen der EZB und der FED, sowie nach den Chancen und Risiken für das bald anbrechende neue Jahr 2020.

onvista-Redaktion: Herr Bernecker, die Fed hat die Füße stillgehalten. Eine richtige Entscheidung und wird das auch 2020 so bleiben?

Französische Politiker sind bekannt dafür, besonders elegant und diplomatisch geschickt zu formulieren. Sie lernen dies auf den ebenfalls bekannten Eliteschulen. Gekonnt formuliert heißt, dass man elegant formuliert, ohne etwas zu sagen. Das können Sie daran erkennen, dass die Interpretationen in den Medien höchst umfangreich ausfallen. Sich daran zu beteiligen, macht keinen Sinn. Geld- und Kreditpolitik ist keine Sache im 4-Wochen-Rhythmus und schon gar nicht, wenn damit eine 8-Jahres-Periode zu Ende gegangen ist. Die Schlüsselsatz lieferte ihr Chefvolkswirt  Philip Lane in einem Grundsatzreferat vor ca. 10 Tagen in Dublin. Es geht um die Interpretation, warum die Zinsen dauerhaft zu niedrig sind. Darin liegt die Kernfrage 2020.

onvista-Redaktion: EZB-Chefin Christine Lagarde hat auf ihrer ersten Sitzung als EZB-Chefin den eingeschlagenen Kurs von Mario Draghi weitergeführt. Kann Sie die geldpolitischen Zügel überhaupt noch lockern oder muss sie nur auf den richtigen Zeitpunkt für eine Kurswende warten?

Der schon zitierte Chefvolkswirt stellt ein Grundproblem in den Raum, das für alle Industrieländer gilt: Wie hoch ist das Potenzialwachstum aller Industrieländer, auch im Vergleich zu den Schwellenländern und welche Erwartungen sowohl für die Zinsen als auch für die Inflation und welches Wachstum der Volkswirtschaften daraus abzuleiten sind. Es ist ein völlig neuer Begriff, der in der Draghi-Administration nie Gegenstand von Überlegungen war. Es erinnert entfernt an die Geld- und Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank mit der sog.  potenzial-orientierten Geldmenge. Darauf näher einzugehen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, aber erkennbar wird daraus.

Im Mittelpunkt der EZB-Politik steht vornehmlich die Liquiditätsversorgung aller Volkswirtschaften unter den Euro-Dach und die Vermeidung von sog. Unfällen. Wegweisende neue Entscheidungen in Richtung Zinsen lassen sich daraus nicht ableiten. Aber wenige haben wohl bemerkt, dass die Renditen der Staatsanleihen ab dem Tag, ab dem der EZB-Wechsel feststand schrittweise anzogen, sowohl für erste Adressen, wie Bundesanleihen als auch schlechte Adressen, wie Italien. Niemand steuert, sondern der Markt entscheidet offenbar selbstständig. Das sieht man auch bei der EZB.

onvista-Redaktion: Was erwarten Sie von dem Börsenjahr 2020 - Wird es ähnlich erfolgreich wie 2019 oder sollten sich die Anleger auf magere Zeiten einstellen?

2019 war ein durchaus komfortables Börsenjahr. 25 % DAX-Gewinn sind der Beleg. Damit preist der Markt ein, was die Wirtschaft im kommenden Jahr realisieren wird. So funktioniert Erwartung und Einpreisung. Denn der Hintergrund aller Nachrichten war denkbar trüb und aus politischer Sicht nervös. Mithin gehe ich sehr gelassen in das Jahr 2020. Sämtliche Erwartungsindikatoren haben bereits gedreht. Die einzigen, die noch fehlen, sind die deutschen Anleger, sowohl die Institutionellen, also Profis als auch leider die Privatanleger. Ob diese an den Markt zurückkommen, weiß ich nicht, immerhin haben sie es schon zwei-mal mit Erfolg und mit nachhaltiger Wirkung getan. Wer sich dafür interessiert, schaut sich den DAX-Chart seit 1982 an.  Dieses Mal mit dem schwierigen Problem, dass der DAX nach einer relativ langen Konsolidierung ab dem Topniveau starten muss. Das ist ungleich schwieriger als nach einer markanten Negativkorrektur von 20 % und mehr. Das erfordert ein anderes Denken. Doch deshalb gehe ich sehr gelassen ins neue Jahr.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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