Drei Fragen an Bernecker: Sind heutige IPO-Bewertungen einfach zu teuer, reißt Thyssenkrupp das Ruder herum und was für Spielraum hat der Euro noch?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In der heutigen Ausgabe fragen wir den Börsen-Veteran nach seiner Einschätzung zu der diesjährigen IPO-Saison, den Turbulenzen bei Thyssenkrupp und der Entwicklung der europäischen Gemeinschaftswährung.

WeWork hat seinen Börsengang erst einmal komplett abgesagt, das IPO von Teamviewer, vorher als größter Tech-Börsengang seit der Dotcom-Blase gehyped, lief eher semi, auch die beiden Mobilitäts-Riesen Lyft und Uber haben nicht überzeugt. Ist dieses Jahr einfach kein guter Zeitpunkt für den Schritt ans Parkett?

Die amerikanische Szene für Börsengänge entbehrt nicht der Komik. Der Büroraumvermittler WeWork wurde im Januar noch mit 47 Mrd. $ herumgereicht, inzwischen gelten 20 Mrd. $ und am Ende wohl eher 10 Mrd. $, wenn es überhaupt zu einem Börsengang kommt (Der Börsengang wurde nach unserer Fragestellung tatsächlich fürs erste aufs Eis gelegt, Anmerkung der Redaktion). Die Hollywood-Talentagentur Endeavor warf das Handtuch in der vergangenen Woche. Peloton versuchte es soeben und fiel auf den Bauch. Hier geht es um Heimtrainer. Lyft & UBER haben sich inzwischen rund halbiert. Gemeinsam ist allen: Freizeit oder ähnliche Services sind pfiffige Ideen, aber keine Basis für nachhaltige Unternehmen in der Bewertung von zweistelligen Milliardenbeträgen.  Die deutsche Variante ist Teamviewer mit einem seriösen Geschäftsmodell, aber überzogener Bewertung, weil der Finanzinvestor Kasse macht. 5,3 Mrd. € Marktwert sind für geschätzte Umsätze um 400 bis 450 Mio. € in den kommenden 1 bis 2 Jahren (annualisiert gerechnet) einfach zu viel. Allen gemeinsam ist also: Sie sind zu teuer. Diese Luft muss raus und gemessen am S&P 500 dürften sich um 2 Bio. $ in Luft auflösen.

Bei Thyssenkrupp geht es momentan drunter und drüber. Bekommt der Stahlkonzern bald die Kurve, oder sollte man vorerst die Finger von der Aktie lassen?

Für ThyssenKrupp gibt es einen klaren Plan. Frau Merz wird allen Geschäftsführern der jeweiligen Sektoren vorschreiben, über welche Optionen sie selbst entscheiden können. Die erste verlangt eine eindeutige Beurteilung des Produktportfolios und seiner Produktivität. Die zweite verlangt eine Idee, wie das bestehende Unternehmen ausgebaut werden kann. Ausgenommen bleibt Stahl in der bestehenden Form und der Sektor Elevator in der bekannten Entscheidung des möglichen Börsenganges oder eines Teilverkaufes. Diese Entscheidung hängt von einer Bewertungsdifferenz ab, die bei beachtlichen 3 Mrd. $ für diesen Sektor liegt.

Frau Merz hat sich ein Jahr Zeit gegeben. Mein Eindruck: Sie wird es schaffen, sie ist eine Schwäbin!

Der Euro schwächelt weiter - zuletzt ist er sogar unter 1,09 EUR/USD abgerutscht. Geht die Abwertung fröhlich weiter, oder kommt bald die wütende Antwort von jenseits des Atlantiks?

Der Euro hat einen Spielraum für seine Abwertung gegen den Dollar um noch etwa 4 - 5 % oder einen Devisenkurs um 1,04 Dollar. Das gleiche Signal ergibt sich aus Vergleichsrechnung für den Goldpreis in Dollar. Damit entsteht für Deutschland die interessanteste Exportstütze, die sich denken lässt. Rund 40 % der deutschen Wirtschaft hängt direkt und indirekt davon ab, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit in Drittländern (ohne Eurozone) entwickeln kann. Herunter gebrochen sind es etwa 20 %. Ein schwacher Euro ist die beste Konjunkturstütze. Ob Donald Trump damit einverstanden ist, lasse ich offen, aber direkte Eingriffe sind nicht möglich.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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