EZB: Massiver Widerstand gegen neue Anleihenkäufe aus den eigenen Reihen – Wie lange wird (oder kann) das QE-Programm diesmal laufen – und wie wirksam ist es?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gab es laut informierten Kreisen großen Widerstand gegen die Wiederaufnahme der Nettoanleihekäufe. So habe sich der Chef der französischen Notenbank, Francois Villeroy de Galhau, der ablehnenden Haltung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann angeschlossen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag unter Berufung auf EZB-Vertreter, die nicht genannt werden wollen. Zudem hätten sich auch Vertreter der Notenbanken der Niederlande, Österreichs und Estlands auf die Seite der Abweichler gestellt. Im Direktorium der EZB waren laut dem Bericht Sabine Lautenschläger aus Deutschland und Benoit Coeure aus Frankreich gegen die Wiederaufnahme der Käufe.

Niederländischer Notenbankchef untermauert Kritik

Das Maßnahmenpaket, insbesondere der Neustart der Anleihenkäufe, passe nicht zum aktuellen Konjunkturumfeld, teilte Klaas Knot, Chef der der niederländischen Notenbank am Freitag in einer Erklärung mit. „Und es gibt gute Gründe, dessen Wirksamkeit zu bezweifeln“, fügte er hinzu. Die Wirtschaft im Euro-Raum sei voll ausgelastet, zudem stiegen die Löhne. Die Finanzierungsbedingungen für Verbraucher, Unternehmen und Regierungen seien sehr günstig. Dagegen gibt es Knot zufolge bereits Anzeichen für verzerrte Kurse an den Finanzmärkten und eine überhöhte Risikobereitschaft im Immobilienmarkt – nach der Verkündung des EZB-Entscheids gab es tatsächlich auch unmittelbar eine Achterbahnfahrt auf den Aktien-, Anleihen- und Devisenmärkten.

Aus Sicht von Knot gibt es weder die Gefahr einer Deflation – einer schwer zu stoppenden Abwärtsspirale aus Preisen, Löhnen und Investitionen – noch gibt es nach seiner Einschätzung Anzeichen für einer Rezession im gesamten Euro-Raum. Zwar liege die Inflation derzeit unter der Zielmarke der Notenbank, die knapp zwei Prozent als Idealwert anstrebt. Das bereite Sorge. Daraus folge aber nicht, dass der Neustart eines Instruments mit so großer Tragweite wie die Anleihenkäufe angemessen sei.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte am Donnerstag darauf hingewiesen, dass ein Hauptgrund für die Wiederbelebung der Käufe von Nettovermögenswerten darin besteht, dass die Inflationserwartungen eben konstant unter dem von der EZB angestrebten Ziel von knapp 2 Prozent geblieben sind, er die Regierungen jedoch auch dazu auffordert, zur Ergänzung seiner Maßnahmen eine Fiskalpolitik einzuführen.

Entscheidung war umstritten, Mehrheit war jedoch eindeutig

Ab 1. November sollen monatlich 20 Milliarden Euro in den Erwerb von Anleihen gesteckt werden. EZB-Präsident Mario Draghi hat auf der Pressekonferenz eingeräumt, dass die Entscheidung umstritten gewesen sei. Es sei jedoch eine eindeutige Mehrheit gewesen und es habe daher keine Abstimmung stattgefunden.

Allerdings repräsentieren allein die Vertreter Deutschlands, Frankreich und der Niederlande mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung und der Bevölkerung der Eurozone. Einen so großen Widerstand habe es in den acht Jahren Amtszeit von Draghi noch nicht gegeben, heißt es in dem Bloomberg-Bericht.

Wird Draghi-Nachfolgerin Lagarde doch nicht aus dem Vollen schöpfen können?

Das könnte darauf hindeuten, dass Christine Lagarde bei ihrem Amtsantritt in wenigen Wochen möglicherweise mit gebundenen Händen in ihre Amtszeit geht. Der Tenor der Marktbeobachter war eigentlich, dass Draghi die weiteren Möglichkeiten zur Stimulation der Wirtschaft noch ein wenig anheizt, aber nicht voll ausnutzt, bis er abtritt, um Lagarde die volle Bandbreite für weitere Stimuli zu geben. Der wachsende Widerstand im EZB-Rat deutet jedoch auf eine möglicherweise tiefergehende Uneinigkeit hin, die kommende geldpolitische Maßnahmen schwieriger machen könnte.

Wie lange wird das QE-Programm dauern?

Draghi hat eine unbefristete Zusage für das neue QE-Programm gegeben und angesichts der EZB-Prognose, dass die Inflationsrate selbst im Jahr 2021 noch bei 1,5 Prozent und damit immer noch unter dem angestrebten Ziel von etwa 2 Prozent liegen wird, gehen viele Experten davon aus, dass die Anleihenkäufe bis 2022 oder sogar länger andauern werden. „Das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten könnte daher mindestens 24 Monate mit einem Gesamtvolumen von 480 Milliarden Euro dauern. Eher wird es länger dauern“, sagte beispielsweise Ökonom Florian Hense von der Berenberg-Bank.

Es gibt jedoch auch Zweifel an der Wirksamkeit des neuen QE-Programms. Analysten sagten am Donnerstag, der Euro sei gestiegen, nachdem Draghi gegenüber Reportern keine Diskussion über die Anhebung der Anleiheemittentenlimits im Rahmen des Programms zum Ankauf von Anleihen geführt habe. Dies habe Zweifel darüber aufkommen lassen, wie lange das QE-Programm dauern könne. Einige Experten gehen davon aus, dass das QE-Programm bei den derzeitigen selbst gesetzten Limits maximal 12 Monate laufen kann, dann wären sie erreicht.

Es gibt Positionslimits der EZB für Anleihen von maximal einem Drittel für jede Emission und Emittenten - das heißt, die EZB kann grundsätzlich nicht mehr als ein Drittel des Wertes jeder einzelnen Anleihe kaufen und darüber hinaus nicht mehr als ein Drittel aller im Umlauf befindlichen Anleihen von einem EU-Mitgliedstaat halten. Ein QE-Programm, das nur äußerst begrenzt läuft, bedeutet somit im Endeffekt weniger Liquidität für den Markt als angenommen. Diese These könnte auch eine Erklärung für die zunächst unverständlich erscheinende starke Aufwärtsbewegung des Euros sein, die gestern erfolgt ist. Sollte das QE-Programm wirklich bis 2022 oder länger laufen, muss Lagarde dafür sorgen, dass die Limits hochgesetzt werden – und bei dem sich abzeichnenden Widerstand aus dem Rat dürfte das nicht so ohne weiteres gehen.

Alexander Mayer/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com

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