Fiat/Renault: Megafusion könnte einen der größten Player der Branche entstehen lassen – Anleger feiern beide Aktien

onvista · Uhr

Beide Konzerne machten die Planspiele am Montag öffentlich, kurz bevor der Renault-Verwaltungsrat zusammenkam, um über den Vorschlag zu beraten. Es würde der drittgrößte Autokonzern der Welt entstehen, der pro Jahr 8,7 Millionen Fahrzeuge verkauft und in allen wichtigen Märkten rund um den Globus präsent ist. Vorgesehen ist eine Verschmelzung auf eine gemeinsame Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, an der beide Partner je zur Hälfte beteiligt wären. Vorteile des angestrebten Plans gibt es einige. Da Fiat nicht selbst auf E-Mobility gesetzt hat, hätte der Autobauer auf einen Schlag die Emissionsprobleme in seiner Flotte gelöst. Auf der anderen Seite bekämen die Franzosen auf einen Schlag mit ihrem E-Angebot Zugang zum US-Markt.

Frankreich wohl noch nicht so überzeugt

Der französische Staat, mit 15 Prozent größter Aktionär von Renault, reagierte verhalten positiv. Für Europa als Ganzes sei es gut, einen Industrie-Giganten zu haben. Allerdings müsse sich Frankreich die Konditionen genau ansehen. „Das ist eine Diskussion, die wir als Aktionär mit Renault führen“, sagte eine Regierungssprecherin. Dagegen ist von den Gewerkschaften mit Widerstand zu rechnen, vor allem in Italien. Denn die meisten europäischen Werke von Fiat Chrysler sind schwach ausgelastet. Ein möglicher Personalabbau könnte vor allem Arbeitsplätze in Italien treffen.

Wandel in der Branche ist genügend Motivation

Wegen schärferer Klimavorgaben und steigender Kosten für die Entwicklung umweltfreundlicherer Motoren und Elektroautos steigt auf die Konzerne schon länger der Druck, Kooperationen und Fusionen zu suchen. Fiat Chrysler und Renault gehen nach eigenem Bekunden davon aus, ihre Kosten nach einem Zusammenschluss um jährlich fünf Milliarden Euro zu senken. Damit hätten sie dann auch mehr Geld für Investitionen in die E-Mobilität. Fiat-Aktionären winkt außerdem eine Sonderdividende von 2,5 Milliarden Euro.

Aktien werden gefeiert

An der Börse lösten die Pläne ein positives Echo aus: Die in Mailand notierten Fiat-Aktien legten den größten Kurssprung seit zehn Jahren hin und notierten zeitweise knapp 20 Prozent fester. Die Titel von Renault steuerten mit einem Plus von etwa 17 Prozent im frühen Handel sogar auf den größten Tagesgewinn seit fast einem Vierteljahrhundert zu. Der europäische Automobil-Index zog deutlich an. Sollte der Plan umgesetzt werden, könne dies zur Blaupause für andere Automobilhersteller werden, sagte ein Händler. Für viele Zulieferer würde die Lage durch die Einkaufsmacht eines weiteren Großkonzerns jedoch schwieriger.

Fiat Chrysler schon lange auf der Suche

Fiat Chrysler hatte unter seinem 2018 verstorbenen Vorstandschef Sergio Marchionne mehrfach versucht, sich mit anderen Autobauern zusammenzuschließen, war aber unter anderem bei General Motors und Volkswagen abgeblitzt. Offenbar sehe der italienisch-amerikanische Konzern nun bessere Chancen bei Renault, da sich das Verhältnis der Franzosen zu ihrem japanischen Partner Nissan nach dem Sturz von Carlos Ghosn abgekühlt hat, meinte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Banker gehen davon aus, dass die beiden Unternehmen nun eher zusammenfinden könnten, da die beiden „Egos“ Marchionne und Ghosn nicht mehr die Geschicke der jeweiligen Konzerne bestimmten. Frühere Versuche seien immer an Gegensätzen zwischen den beiden selbstbewussten Automanagern gescheitert, sagte ein Banker aus dem Umfeld der bei Fiat Chrysler Ton angebenden Familie Agnelli.

Noch ist nichts entschieden

Auch der neue Anlauf dürfte kein Selbstläufer sein, sagte Analyst Frank Schwope von der NordLB. Zwar könnten beide Konzerne mit einem Zusamenschluss ihre jeweiligen Schwachstellen ausgleichen: So ist Fiat dank Chrysler in den USA stark, während das Europageschäft unter Druck steht. Renault wiederum ist ein Pionier auf dem Gebiet der Elektroautos mit einer starken Präsenz in Schwellenmärkten, dafür sind die Franzosen in den USA nicht präsent. Aber Renault steckt bereits in einer komplexen Verflechtung mit Nissan. Eine Trennung von den Japanern gilt als unwahrscheinlich, da beide Unternehmen über Beteiligungen miteinander verflochten sind und viele Fahrzeuge auf gemeinsamen Plattformen stehen. „Ich kann mir eher eine erweiterte Allianz vorstellen“, erklärte Schwope.

Es gibt auch Skeptiker

Zu der Allianz mit Nissan gehört auch der japanische Autobauer Mitsubishi, was es nach Einschätzung von Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI noch einmal schwerer macht. „Hier haben wir jetzt Franzosen, Italiener, Japaner, Amerikaner, die sich in irgendeiner Form einigen sollen auf einen Board einer holländischen Company, in der der französische Staat seinen Sonder-Einfluss verliert. Da muss man schon sehr viel Fantasie haben.“ Die geplante neue Holding soll ihren Sitz in den Niederlanden haben und an den Börsen in Mailand, Paris und New York gelistet werden.

Ellinghorst stellt zudem die Bewertung von Renault in dem Fusionsvorschlag infrage: Wenn man den Wert der Beteiligung der Franzosen von 43 Prozent an Nissan herausrechne, impliziere der Vorschlag, dass Fiat Chrysler das Kerngeschäft von Renault mit Null ansetze. „Ich weiß nicht, ob die Franzosen das überhaupt akzeptieren können“, gibt er zu bedenken. Eine reine Marktbewertung, um auf die angestrebte Gleichgewicht von 50 zu 50 für eine Fusion zu kommen, halte er für fast ausgeschlossen. „Wir haben noch nie einen Merger of Equals in der Autoindustrie gesehen, der funktioniert hat.“

Die größten Übernahmen der Branche:

Bereits vor der geplanten Fusion zwischen Fiat Chrysler und Renault spielten Partnerschaften in der Automobilbranche eine gewaltige Rolle – nicht alle gingen gut.

Der Peugeot-Mutterkonzern PSA übernahm 2017 von General Motors den Rüsselsheimer Autobauer Opel. PSA zahlte für Opel und Vauxhall 1,3 Milliarden Euro.

Chrysler ist seit 2014 komplett in der Hand von Fiat. Der italienische Autobauer legte damals umgerechnet 3,16 Milliarden Euro auf den Tisch. Der neue Konzern nennt sich FCA (Fiat Chrysler Automobiles).

Nach mehreren Anläufen wurde Porsche 2012 die zwölfte VW-Tochter. Gezahlt wurden 4,46 Milliarden Euro.

Der schwedische Pkw-Hersteller Volvo ist seit 2010 in der Hand des aufstrebenden chinesischen Autobauers Geely. Die Chinesen überwiesen an den bisherigen Besitzer Ford nach damaligen Angaben 1,3 Milliarden Dollar in bar und legten eine Anleihe über 200 Millionen Dollar oben drauf.

Seit 1999 ist Renault größter Anteilseigner bei Nissan. Eine strategische Kooperation gibt es seit 2010 zwischen Renault-Nissan und Daimler.

Nicht alle Pläne gingen auf

Katerstimmung herrschte dagegen nach folgenden Übernahmen: VW und Suzuki beschlossen 2009 eine Art Zusammenarbeit, 2011 war schon Schluss. BMW kaufte 1994 Rover (für zwei Milliarden Mark) und stieg 2000 wieder aus. Daimler zahlte 1998 gigantische 40 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 36 Milliarden Euro) für eine Ehe mit Chrysler. Diese endete 2007 mit dem Verkauf.

onvista/reuters/dpa-AFX

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Foto: Jonathan Weiss / Shutterstock.com

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