"Fit for 55" soll EU klimafreundlich machen - "Fordern viel von Bürgern"

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Markus Wacket und Ilona Wissenbach und Reinhard Becker und Kate Abnett

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU will mit einem Paket von neuen Klima-Auflagen für Industrie und Bürger ihre verschärften Ziele für 2030 erreichen.

Geplant ist ab 2026 ein europaweiter CO2-Preis auf Sprit, Heizöl oder Gas, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Konzept "Fit for 55" der Kommission. Ab 2035 sollen keine neuen Verbrenner-Autos auf die Straßen rollen. Erneuerbare Energien sollen stärker als bisher geplant ausgebaut und Häuser schneller saniert und gedämmt werden. Die Industrie bekommt weniger Rechte zum CO2-Ausstoß zugeteilt, soll im weltweiten Wettbewerb im Gegenzug aber durch einen CO2-Zoll an den Grenzen vor "schmutzigen" Importen geschützt werden. "Wir fordern viel von unseren Bürgern, wir fordern viel von unserer Industrie", sagte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans. "Aber wir machen es für eine gute Sache. Wir machen es, um der Menschheit eine Chance zu geben. Die Welt muss die Klimakrise bewältigen."

Mit "Fit for 55" will die EU den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 senken. Bis 2050 soll dann praktisch gar kein CO2 mehr in die Atmosphäre entweichen. Die Vorschläge der Kommission müssen von den Mitgliedsstaaten und vom EU-Parlament gebilligt werden. Es wird mit Diskussionen gerechnet, die weit über ein Jahr hinaus gehen können.

STREITPUNKT CO2-ABGABE FÜR PENDLER UND MIETER

Dies wird besonders für den neuen CO2-Preis auf Sprit, Heizöl und alle anderen fossilen Brennstoffe gelten, den die Bürger europaweit in ihrem Portemonnaie spüren werden. In den Sektoren Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft hatte die EU bislang zwar den Staaten Ziele vorgegeben, jedoch den Weg überlassen. Dies führte dazu, dass viele Länder wie auch Deutschland den Vorgaben hinterher hinkten. Die Sektoren stehen aber für fast 60 Prozent der EU-Emissionen. Jetzt soll etwa der Mineralölhandel CO2-Rechte kaufen müssen, die zudem jährlich gekürzt werden. Der Preis wird an die Verbraucher weitergegeben. Die deutsche CO2-Abgabe würde in dem System dann 2026 aufgehen.

Um Bedenken von Staaten und Bürgern zu besänftigen, plant die EU einen Sozialfonds. In diesen soll ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf der CO2-Rechte fließen. Er soll vor allem ärmeren Pendlern oder Mietern helfen, die zusätzlichen Lasten zu schultern.

Parallel will die EU aber auch den Auto-Herstellern neue Vorgaben machen und den zulässigen Verbrauch von Neuwagenflotten stärker senken als bisher geplant. Bis 2030 müssen die Emissionen um 55 Prozent niedriger ausfallen als die jetzigen 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Schnitt. Ab 2035 sollen Verbrenner wie Diesel oder Benziner dann gar nicht mehr neu zugelassen werden.

GRENZABGABE SOLL INDUSTRIE SCHÜTZEN

Auf zusätzliche Belastungen muss sich auch die Industrie einstellen: Sie hatte zum Schutz im weltweiten Wettbewerb den Großteil ihrer nötigen Verschmutzungsrechte gratis zugeteilt bekommen. Jetzt soll die Zahl der in diesem Handelssystem von der EU ausgegebenen Rechte insgesamt sinken. Zudem sollen die jährlichen Kürzungen stärker ausfallen als bisher vorgesehen. Erstmals soll der Seeverkehr Rechte erwerben müssen und in das System eingebunden werden.

Im Gegenzug plant die EU-Kommission eine Art CO2-Grenzsteuer, die den Pläne zufolge ab 2026 schrittweise eingeführt wird. Damit sollen zunächst Unternehmen der Stahl-, Chemie- und Zementbranche vor "schmutzigen" Importen im Wettbewerb geschützt werden.

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