Gesundheitsminister Spahn - "Unser System funktioniert"

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht in der verhängten Aussetzung von Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca einen Beweis für die Sicherheit in Deutschland.

"Unser System funktioniert", sagte Spahn am Mittwoch in einer Bürgerbefragung bei Facebook. Vorfälle würden gemeldet, geprüft und gegebenenfalls werde gehandelt. Wenn man sich dessen sicher sein könne, "dann sollte das eigentlich das Vertrauen in die Impfung stärken". Einer Blitzumfrage zufolge hat die Entscheidung der Bundesregierung die Impfbereitschaft in der Bevölkerung kaum beeinträchtigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, die Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca fortzusetzen. Die WHO sei der Ansicht, dass die Vorteile des Vakzins die Risiken überwögen, erklärte die Organisation.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) wird am Donnerstag entscheiden, ob das AstraZeneca-Mittel wieder verimpft werden kann. Am Dienstag hatte Behörden-Chefin Emer Cooke gesagt, die EMA halte die Vorteile einer Impfung mit dem Vakzin nach wie vor für größer als die Risiken. Spahn hatte die Impfungen am Montag auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts wegen sieben seltener Fälle von Hirnvenenthrombosen gestoppt. Auch zahlreiche andere EU-Staaten taten diesen Schritt. Mittlerweile ist in Deutschland nach Angaben eines Sprechers des Bundesgesundheitsministeriums ein achter Fall hinzugekommen. Betroffen sind vor allem Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Laut Paul-Ehrlich-Institut gibt es drei Todesfälle. Der Sprecher machte klar, dass die EMA-Entscheidung für die Bundesregierung bindend sei.

Erwartet wird, dass die EMA die Impfung mit AstraZeneca wieder zulässt, dafür aber ein gesonderter Warnhinweis im Beipackzettel auftaucht. Ob dann die bestehende Priorisierung bei der Impfung beibehalten werde, sei offen, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Man warte die Entscheidung der EMA jetzt ab, sagte er und fügte hinzu: "Denkbar ist natürlich Vieles." Ob die Bundesregierung dann schon am Donnerstag die EMA-Empfehlung umsetzt, blieb offen. Der verschobene Impfgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländern ist jetzt zumindest am Freitagnachmittag (15.00 Uhr) angesetzt, wie eine Regierungssprecherin mitteilte.

"HOCHWIRKSAME IMPFSTOFFE"

Die WHO in Genf erklärte, das Beratergremium der Organisation für Impfstoffsicherheit prüfe noch sorgfältig die neuesten Sicherheitsdaten zu dem Mittel von AstraZeneca. Kate O'Brien, Direktorin der WHO-Abteilung für Immunisierung, Impfstoffe und Biologika, sagte, das Impfsicherheitspanel prüfe, ob Nebenwirkungen wie Blutgerinnsel tatsächlich mit der Impfung zusammenhingen. Man sollte die Zahlen nicht überinterpretieren. "Es handelt sich um hochwirksame Impfstoffe, um lebensrettende Impfstoffe, um sichere Impfstoffe, und wir sollten mit dem Einsatz fortfahren", sagte O'Brien auf einer Pressekonferenz. "Daher sollte jeder, dem ein Impfstoff angeboten wird, nehmen, was auch immer ihm angeboten wird."

Die Impfbereitschaft in Deutschland ist im Vergleich zu Anfang März lediglich um zwei Prozentpunkte auf 71 Prozent gesunken, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL und ntv hervorgeht. Ebenfalls 71 Prozent der Befragten, die sich sobald wie möglich impfen lassen wollen, gaben zudem an, AstraZeneca zu akzeptieren, sobald die Impfungen damit wieder aufgenommen werden. Bei denjenigen, die hinsichtlich einer Impfung erst einmal abwarten wollen, fällt die Zustimmung mit 24 Prozent allerdings deutlich geringer aus. Befragt wurden am Dienstag 1001 Personen.

Der Umfrage zufolge halten 54 Prozent der Deutschen den Impfstopp für verantwortungsvoll. 39 Prozent finden den Schritt übertrieben. Zufrieden mit der Impfkampagne in Deutschland ist demnach allerdings kaum jemand. Nur ein Prozent bewerten den Verlauf bislang als sehr gut und neun Prozent als gut. 48 Prozent gaben an, das Impfen verlaufe "eher schlecht", 40 Prozent sagten "sehr schlecht".

"KRISE DES JAHRHUNDERTS"

Der Streit zwischen der EU einerseits und den USA und Großbritannien andererseits über die Impfdosen spitzt sich unterdessen zu. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte mit schärferen Bestimmungen für die Ausfuhr von Impfstoffen. Wenn sich die Situation nicht ändere, müsse darüber nachgedacht werden, Exporte in Impfstoff produzierende Länder von deren Ausfuhr-Bereitschaft abhängig zu machen, sagte von der Leyen in Brüssel. Europa wolle nur sicherstellen, dass es seinen gerechten Anteil erhalte. Die EU werde prüfen, ob Exporte in Länder, die eine höhere Impfrate hätten als die EU, noch verhältnismäßig seien. "Wir befinden uns in der Krise des Jahrhunderts", sagte von der Leyen.

Sechs EU-Länder haben sich in Brüssel über reduzierte Impfstofflieferungen beschwert. In der Staatengemeinschaft besteht ein akuter Mangel an Impfdosen aufgrund der Lieferprobleme vor allem von AstraZeneca. Die schleppende Impfkampagne in der EU bedroht die von der Kommission angekündigten Pläne zur Einführung eines Impfpasses, von der EU als digitales grünes Zertifikat bezeichnet, um die Reisebeschränkungen in der EU zu überwinden.

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