Hongkongs Polizei geht massiv gegen Demonstranten vor

Reuters · Uhr

- von Scott Murdoch und Yanni Chow

Hongkong (Reuters) - In Hongkong ist die Polizei einen Tag nach Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes massiv gegen Demonstranten vorgegangen.

Sie setzte am Mittwoch Wasserwerfer und Pfefferspray ein, um Tausende Demonstranten in der Innenstadt auseinanderzutreiben. "Widerstand bis zum Ende" und "Unabhängigkeit für Hongkong", skandierte die Menge. Trotz eines Kundgebungsverbotes protestierten die Menschen gegen das am Dienstag vom chinesischen Parlament verabschiedete Gesetz, das die Autonomie der Finanzmetropole beschneidet. Auf seiner Grundlage nahm die Polizei nach eigenen Angaben rund 30 Menschen fest. Am Mittwoch jährte sich die Übergabe der einstigen britischen Kronkolonie Hongkong an China zum 23. Mal.

"Ich habe Angst, dass ich ins Gefängnis muss, aber für die Gerechtigkeit muss ich heute hier sein", sagte ein 35-jähriger Demonstrant. "Ich muss mich erheben." Die Polizei erklärte, die Festgenommenen hätten Waffen mit sich geführt, Widerstand geleistet und an einer verbotenen Versammlung teilgenommen. Die Behörden in Hongkong haben die jährliche Kundgebung anlässlich des Jahrestages der Übergabe Hongkongs untersagt. Sie begründen dies mit Maßnahmen in der Coronakrise, die Versammlungen von mehr als 50 Menschen verbieten. Zahlreiche Geschäfte waren geschlossen, auch die Eingänge zu einer U-Bahnstation waren verriegelt.

Auf einem Transparent warnte die Polizei die Demonstranten, sie verstießen gegen das neue Sicherheitsgesetz, indem sie Fahnen und Transparente mit sich führten, skandierten und sich in einer Weise verhielten, die die Absicht der Abspaltung und Subversion zeige.

"CHINA VERSCHLINGT HONGKONG IN SEINEM AUTORITÄREN SCHLUND"

Chinas Parlament hatte am Dienstag das Gesetz verabschiedet, es trat noch am selben Tag in Kraft. Es ist der radikalste Einschnitt in die Autonomie der Finanzmetropole, die Hongkong bei der Übergabe an China nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre zugesagt wurde. Das Gesetz sieht lebenslange Haft als Höchststrafe für zahlreiche Vergehen vor, die Chinas Behörden als Subversion, Abspaltung und Terrorismus werten. Die Führung in Peking reagiert damit auf die Proteste Hunderttausender Hongkonger gegen den wachsenden Einfluss Chinas, die die Sonderverwaltungszone 2019 monatelang lahmgelegt hatten.

Das Gesetz stößt nicht nur bei vielen Bürgern und pro-demokratischen Politikern in Hongkong auf harsche Kritik. "Die USA stehen nicht untätig daneben, während China Hongkong in seinem autoritären Schlund verschlingt", betonte US-Außenminister Mike Pompeo. Die USA stünden an der Seite der Menschen in Hongkong und würden auf Angriffe auf Rede- und Pressefreiheit sowie Rechtsstaatlichkeit reagieren. Die USA haben bereits damit begonnen, ihre Sonderregelungen für Hongkong auszusetzen.

Bundesaußenminister Heiko Maas verlangte eine rasche Reaktion der EU auf das Gesetz. Was in Hongkong geschehe, sei "außerordentlich besorgniserregend", sagte er im ZDF. Nicht die einzelnen EU-Länder seien gefragt. Nur Europa als Ganzes habe das nötige Gewicht.

"GEBURTSTAGSGESCHENK FÜR HONGKONG"

China verwahrte sich gegen eine Einmischung anderer Staaten in Hongkong. Ausländische Regierungen sollten die Lage dort objektiv beurteilen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian. Die Führung in Peking werde eine Einmischung des Auslandes in innerstaatliche Belange nicht hinnehmen.

Bei einer Zeremonie am Hafen, mit der die Führung Hongkongs die Übergabe im Jahr 1997 feierte, sagte Regierungschefin Carrie Lam, das neue Gesetz sei die wichtigste Entwicklung seit der Rückkehr der Stadt nach China. "Es ist auch eine unvermeidliche und rasche Entscheidung zur Wiederherstellung der Stabilität." In Peking sagte der Vize-Direktor der Regierungsbehörde für Hongkong und Macau, Zhang Xiaoming, das neue Gesetz sei ein "Geburtstagsgeschenk" für Hongkong. Der pro-demokratische Hongkonger Abgeordnete Kwok Ka Ki fand andere Worte: "Ich habe heute morgen die Feier zur Übergabe Hongkongs gesehen. Aber für mich ist das eine Beerdingung - die Beerdigung von 'Ein Land - zwei Systeme'."

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