Kein Truthahn an Weihnachten? Briten leiden unter hohen Gaspreisen

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

London/Hamburg/Berlin (Reuters) - Auf den traditionellen Truthahnbraten müssen viele Briten dieses Weihnachten womöglich verzichten.

Die massiv gestiegenen Gaspreise bringen Fleischhersteller in Großbritannien zunehmend in Bedrängnis. Die Regierung greift zwar dem Industriezulieferer CF Industries für ein paar Wochen unter die Arme, um die Produktion von Kohlendioxid (CO2) wieder zum Laufen zu bringen. Die Lebensmittelbranche warnt dennoch vor Engpässen. CO2 wird unter anderem für Vakuumverpackungen bei Fleisch sowie zur Betäubung von Schlachtvieh benötigt und kommt auch bei der Herstellung von Bier und Softdrinks zum Einsatz.

"Ein Drei-Wochen-Deal wird Weihnachten nicht retten", sagte der Geschäftsführer der Supermarktkette Iceland, Richard Walker, am Mittwoch. "Wir brauchen eine permanente Lösung, um die Auslieferung von frischen Nahrungsmitteln sicherzustellen." Die Regierung in London hat CF Industries zugesagt, drei Wochen lang einen Teil der Fixkosten des US-Unternehmens zu übernehmen. Dies werde wohl mehrere zehn Millionen Pfund kosten, sei aber nötig, sagte der britische Umweltminister George Eustice dem TV-Sender Sky News. CF Industries stellt etwa 60 Prozent des gesamten CO2-Bedarfs in Großbritannien her.

CO2 ist ein Nebenprodukt bei der Düngemittelherstellung, die als Rohstoff Erdgas verwendet. Der Düngemittelkonzern CF Industries hatte die Produktion in zwei britischen Fabriken vor ein paar Tagen gestoppt, weil die Gaspreise durch die Decke gehen. Seit Jahresanfang sind sie wegen einer Angebotsknappheit um gut 250 Prozent gestiegen. Mehrere kleinere Energieversorger mussten den Handel einstellen. Die Branche fordert Staatshilfen..

KEINE MELDUNGEN ÜBER ENGPÄSSE IN DEUTSCHLAND

In Deutschland ist die Lage entspannter. Derzeit gebe es beim CO2 keine Probleme, sagte ein Sprecher des größten deutschen Fleischbetriebs Tönnies. Es könne ausreichend CO2 bezogen werden. Der größte deutsche Geflügelkonzern PHW stieß in das gleiche Horn. Es gebe beim Bezug derzeit keine Schwierigkeiten.

Die britische Regierung geht davon aus, dass auch die Preise für CO2 massiv steigen werden. Für eine Tonne könnten künftig etwa 1000 Pfund fällig werden statt der bisherigen 200 Pfund, sagte Eustice. "Die Lebensmittelbranche muss sich anpassen. Es kommt ein großer Preisanstieg."

Ohne Einschreiten der Regierung müssten in den kommenden Tagen manche Geflügelfarmen ihre Türen schließen, rechtfertige der Umweltminister die staatlichen Hilfen. "Und dann hätten wir Tierschutzprobleme, weil man viele Hühner auf Farmen hätte, die nicht rechtzeitig geschlachtet werden könnten und die wahrscheinlich auf Farmen eingeschläfert werden müssten." Mit Schweinen würde ähnliches drohen.

Die Preise für Strom und Gas sind insbesondere durch die Konjunkturerholung nach dem Höhepunkt der Coronakrise stark angestiegen. Auch hierzulande müssen die Strom- und Gaskunden mit höheren Preisen rechnen. Die EU-Kommission will nach Angaben der spanischen Energie- und Umweltministerin Teresa Ribera den betroffenen Ländern in den kommenden Wochen Maßnahmen aufzeigen, um sich gegen die Preisexplosion besser zu wappnen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, es sei Sache des Marktes auf die Gaspreise zu reagieren. "Wir sehen derzeit keine Notwendigkeit, staatlicherseits einzugreifen."

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