Kutzers Zwischenruf: Anleger können Inflation noch nicht abhaken

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Das heikle Thema Inflation bleibt uns auf unbestimmte Zeit erhalten. Die Anleger müssen erkennen, dass es nicht nur um die Höhe der Preissteigerungen geht, sondern auch um die Dauer. Wie so oft an der Börse, spielt der Faktor Zeit eine ganz wichtige Rolle - eben nicht nur beim „Timing“ der Anlageentscheidungen. Denn die Inflation ist ein wichtiges Element der geldpolitischen und konjunkturellen Perspektiven. Seit Wochen diskutiert die Fachwelt darüber, wie hoch die Verbraucherpreise noch steigen können. Die Börsenstimmung wurde davon bisher nicht belastet. Kein Wunder, denn die Mehrheit der Analysten geht bisher davon aus, dass die ungewohnten Preissprünge auf beiden Seiten des Atlantiks nicht lange andauern werden. Man ist noch gelassen.

Jetzt melden sich aber auch Stimmen, die einen längeren Inflationsprozess nicht ausschließen. So schreiben die Vordenker der Frankfurter Helaba: Die Preissteigerungen im Juli in den USA von 5,4 % und für Deutschland von 3,8 % geben keinen Anlass zur Entwarnung. Eine längere Phase strukturell höherer Geldentwertung lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Sie könnte die Notenbanken zu einem abrupten Strategiewechsel zwingen. Das wäre in meinen Augen eine Entwicklung, die bei der Mehrheit der Börsianer bisher nicht auf dem Schirm steht.

Am Freitag sind andere Preisdaten veröffentlicht worden, die man als Warnsignal ansehen könnte: Die Verkaufspreise im deutschen Großhandel sind im Juli so stark gestiegen wie seit der Ölkrise von 1974 nicht mehr! Sie lagen um 11,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor.  Damit beschleunigte sich der Preisauftrieb erneut: Im Juni hatte die Teuerungsrate bei 10,7 und im Mai bei 9,7 Prozent gelegen. Die Entwicklung im Großhandel gilt als Indikator für zukünftige Inflationstendenzen, da er das Scharnier zwischen Herstellern und Endkunden ist.

Die hohen Steigerungsraten begründen sich zum Teil durch einen Basiseffekt in Folge des sehr niedrigen Preisniveaus der Vorjahresmonate im Zusammenhang mit der Corona-Krise sowie durch viele aktuell gestiegene Preise für Rohstoffe und Vorprodukte, erklären die Statistiker. Ein starker Preistreiber war die Entwicklung bei Erzen, Metallen und Metallhalbzeug, die sich um 59,2 Prozent verteuerten. Besonders kräftige Preisanstiege gab es auch im Großhandel mit Altmaterial und Reststoffen (+95,6 Prozent), mit Roh- und Schnittholz (+59,9 Prozent) sowie mit Mineralölerzeugnissen (+34,3 Prozent). Erheblich teurer wurden im Vorjahresvergleich zudem Getreide, Rohtabak, Saatgut und Futtermittel (+20,7 Prozent).

Dennoch, ich sehe keinen drängenden Handlungsbedarf, geschätzte Anleger. Inflation bleibt in den kommenden Monaten aber mit Sicherheit ein wichtiges Diskussionsthema, dessen Entwicklung man auf jeden Fall genau beobachten sollte. Noch ist die Teuerungsrate bei uns nicht „börsengefährlich“. Fatal würde ein weiterer Anstieg aber dann, wenn die EZB ihre Karten neu mischen müsste. Und was die Anlageklassen betrifft, so gilt unverändert die Kombination von Aktien und Gold als angesagtes Kerninvestment.

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