Kutzers Zwischenruf: Corona und Trump machen’s für Anleger spannend

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Welche Einflüsse werden in den kommenden Wochen entscheiden? Die Frage erinnert an eine Balkenwaage, in der die beiden Schalen täglich neu bestückt werden. Das Gros der Anleger ist nach wie vor risikobereit, wird aber immer wieder durch aktuelle Nachrichten verunsichert. Das dürfte vorläufig auch so bleiben, was Analysten zur Aussage veranlasst, dass mit einer hohen Volatilität der Aktienkurse zu rechnen sei. Die Konjunktur bereitet momentan kein Kopfzerbrechen, doch könnte sich das im Falle eines zweiten Lockdowns wieder ändern. Corona und der amerikanische Wahlk(r)ampf sind derzeit die größten Gewichte.

Diverse Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die globale Konjunktur derzeit weiter erholen kann, wobei die Urteile über das Tempo auseinandergehen. Hierzulande sind die Auftragseingänge der Industrie gestiegen. Die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe entwickeln sich weltweit gut. Und nicht so bekannt: Ein weiteres positives Zeichen für die globale Industrie sind die starken Exportzahlen Taiwans, da diese sehr empfindlich auf den globalen Konjunkturzyklus reagieren. Nachdem die Ausfuhren bereits im August um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen waren, wurde im September sogar ein Plus von 9,4 Prozent erzielt. Optimistische Strategen räumen ein, dass steigende Infektionszahlen die weltweite Güternachfrage zwischenzeitlich etwas belasten können, insgesamt würden die Anzeichen aber auf einen robusten globalen Konjunkturzyklus hindeuten. Börsen-Bullen rechnen daher mit einer anhaltenden Aktienrotation in zyklische Sektoren. Gut möglich, doch sind nicht alle Zweifel schon ausgeräumt.

Jetzt beginnt in den USA die Berichtssaison für das dritte Quartal. Namhafte Asset Manager erwarten, dass US-Unternehmen mit ihren Ergebnissen die Markterwartungen dank positiver Wirtschaftsdaten und des schwachen Dollars deutlich übertreffen werden. Die Investmentexperten stellen fest, dass die Wirtschaftsindikatoren während des gesamten dritten Quartals durchweg besser als erwartet ausfielen. Dazu trugen vor allem ein schwächelnder Dollarkurs bei sowie positive Umrechnungseffekte der im Ausland realisierten Gewinne. Und die Präsidentschaftswahlen? Ein klarer demokratischer Sieg am 3. November stellt keine Überraschung mehr da, sorgt zumindest für keine große Aufregung an der Wall Street mehr. Die Risikobereitschaft der amerikanischen Anleger bleibt weiterhin hoch. Höhere Steuern unter Joe Biden verlieren ihren Schrecken durch das Versprechen steigender Staatsausgaben im kommenden Jahr.

Und was bedeutet das für Sie, geschätzte Anleger? Die Gelassenheit der Börsianer kann man zwar nachvollziehen, will ich aber noch nicht unterstreichen - immer kurzfristig auf die nächsten Wochen bezogen. Allein die globale Entwicklung der Pandemie in den letzten Tagen ist ein gefährlicher Faktor, dessen Folgen nicht abschätzbar sind. Schon wird trotz verbreiteter Ablehnung über einen weiteren

Lockdown diskutiert. Ich will jedenfalls der oft genannten These widersprechen, die Welt habe das Virus im Griff. Die Börsianer reagieren derzeit aber lieber auf hoffnungsvolle Nachrichten zur Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Ob also die Großwetterlage dazu angebracht ist, Risiko-Assets wie Aktien aktuell zu bevorzugen, kann mit einem Fragezeichen versehen werden. Sie sollten nicht davon ausgehen, liebe Leser, schon in wenigen Tagen eine überzeugende Antwort zu erhalten - es bleibt wirklich spannend.

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