Kutzers Zwischenruf: Kurskorrekturen können guttun

Hermann Kutzer · Uhr

Es kann nicht schaden, wenn mehr oder weniger kurze Korrekturphasen extreme Übertreibungen - von Euphorie bis Depression - bremsen. Denn Phänomene wie Herdentrieb und Eigendynamik können gefährlich werden und einen Trend am Aktienmarkt kaputt machen. Insofern ist es zu begrüßen, dass selbst Börsenstrategen aus dem Bullenlager inzwischen bereit sind, ihre Kunden an das kurzfristige Risiko einer Kursschwäche zu erinnern - etwa durch eine Welle von Gewinnmitnahmen. Das soll kein Ende der längerfristigen Entwicklung signalisieren. Doch können Sie, geschätzte Anleger, Korrekturphasen zum Anlass nehmen, Ihre eigene Position zu überprüfen.

Am deutschen Aktienmarkt hat es im Verlauf der vergangenen Tage so etwas wie einen Stimmungswechsel bei den Profis gegeben, berichten die Frankfurter Verhaltensbeobachter nach ihrer jüngsten Umfrage vom Mittwoch: 15 Prozent haben Aktien gekauft, 12 Prozent die Short-Engagements geschlossen. Der Frankfurter Sentiment-Index steht mit +32 Punkten so hoch wie seit gut zwei Jahren nicht mehr und das Bärenlager ist ziemlich leergeräumt. Private Anleger haben sich in die gleiche Richtung bewegt, jedoch nicht ganz so weit.

Vor allem die institutionellen nutzten den Rücksetzer beim Dax, um verpasste Käufe nachzuholen. Der gleichzeitig gestiegene Börse Frankfurt Sentiment-Index ist damit allerdings in Sphären vorgestoßen, die laut Verhaltensökonom Joachim Goldberg zwar noch nicht als euphorisch, aber dennoch für den Dax als nicht ganz unbedenklich einzustufen sind. Der jüngste Optimismus könnte sich insofern als Belastung für den Dax erweisen, da im Falle weiterer Kurssteigerungen mit Gewinnmitnahmen, vor allem zwischen 14.150 und 14 200 Zählern, zu rechnen wäre. Gleichzeitig ist die Unterseite durch die Käufe der vergangenen Tage nicht mehr allzu gut abgesichert. Denn ein großer Teil zu erwartenden Nachfrage bei einem erneuten Abgleiten des Dax wäre dann bereits gesättigt. Zusätzlicher Druck könnte überdies entstehen, falls internationale Investoren ihre vermutlich noch deutliche Übergewichtung in Aktien der Eurozone verringern sollten. Klingt kompliziert, ist es auch.

Auf einen anderen Aspekt verweisen die Experten der Zürcher Fisch Asset Management: Trotz des positiven Gesamtbilds besteht eine Reihe von Gefahren, die derzeit noch nicht akut sind: Immer problematischer wird die absolut hohe Bewertung der Aktienmärkte (KGVs von 30 und höher). Diese wird zwar gemäß Fed-Präsident Jerome Powell durch die tiefen Zinsen relativiert. Trotzdem sind die Märkte damit sehr anfällig für kleinste Störungen in Form steigender Zinsen oder temporärer monetärer Luftlöcher. Was ist schon „eingepreist“? Die Fisch-Strategen halten aktuell die meisten positiven Konjunkturprognosen für bereits enthalten in den Aktienkursen. Eine kurzfristige, markante Korrektur von bis zu 10 Prozent kann daher jetzt nicht mehr überraschen. Bekanntermaßen hat sich die Teilnehmerzahl am Aktienmarkt durch Kleinanleger entscheidend erhöht. Diese breite Masse birgt erhöhtes Panik-

und damit Rückschlagpotenzial. Dennoch werden generell für 2021 Kursgewinne im mittleren einstelligen Prozentbereich für möglich gehalten - ich sage sogar: für wahrscheinlich (Dax mindestens 15.000). Fazit der Schweizer: Somit sehen wir derzeit Korrekturen als Zukaufgelegenheit, solange sich an den genannten Rahmenbedingen nichts substanziell ändert. Einverstanden.

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