Mögen auch Unternehmer die Börse nicht?

Jessica Schwarzer · Uhr

Das Jahr 2019 ist das schwächste Jahr für Börsengänge in Deutschland seit Ausbruch der Finanzkrise. Es scheint fast so, dass nicht nur Privatanleger die Aktie meiden, sondern auch Unternehmer.

Was ist nur los mit den Deutschen? Dass sie lieber sparen als zu investieren, ist hinlänglich bekannt. „Bloß keine Aktien“ heißt es oft. Und das scheint auch die Devise deutscher Unternehmer zu sein. Nur drei Unternehmen wagten in diesem Jahr den Börsengang im streng regulierten Segment Prime Standard. Damit ist 2019 das schwächste Jahr für Börsengänge seit der Finanzkrise 2009. Das zeigt eine Studie der Hamburger Beratungsfirma Kirchhoff Consult. Gleichzeitig ist der Wert der ausgegebenen Aktien um fast 70 Prozent auf 3,6 Milliarden gefallen. Ein Börsengang scheint nicht gerade ein beliebtes Mittel der Firmenfinanzierung zu sein.

Kein Wunder, die Aktie ist ja auch mehr als unbeliebt. Die Deutschen sind einfach keine Aktionäre, sie lassen ihr Geld lieber auf unverzinsten Konten liegen. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt und werden immer wieder in Studien analysiert: Angst vor Verlusten, Angst vor Kursschwankungen, Unsicherheit und Unwissen über die Finanzmärkte und so weiter und so fort.

Und die Unternehmer? Warum scheuen sie den Gang an die Börse? Auch sie sind verunsichert: Brexit, Handelskonflikte und die Angst vor einer Rezession haben nicht gerade ihre Stimmung gehoben oder für Planungssicherheit gesorgt. Wer will schon an die Börse, wenn der Kurs der eigenen Aktien dann in den allgemeinen Turbulenzen mit untergeht?

Aber Stopp! Welche Turbulenzen überhaupt? Welche untergehenden Kurse? 2019 ist ein sensationelles Börsenjahr, die Kurse sind kräftig gestiegen. Kurse hoch, Anzahl der Börsengänge runter? Das klingt alles andere als logisch. Sollten nicht Unternehmer viel langfristiger denken? Das tun sie im täglichen Geschäft doch auch, hoffentlich. Kein Firmenchef investiert Hunderte Millionen in eine neue Produktionsstätte oder ähnliches und erwartet, dass sich das binnen kürzester Zeit auszahlt.

Die Pipeline an IPO-Kandidaten ist gut gefüllt

Warum denken sie dann bei einem Börsengang so kurzfristig? Eine mögliche Antwort: Angebot und Nachfrage. Natürlich müssen sie ihre Papiere auch loswerden. Und sie wollen einen vernünftigen Kurs dafür erzielen. Deshalb lässt es sich schon fast wieder verstehen, warum sie lieber abgewartet haben. Nach dem schlechten vierten Quartal 2018 war die Verunsicherung so groß, dass auch im Frühjahr nicht mit Börsengängen zu rechnen war. Nach einem fulminanten Jahresauftakt kippte dann auch schon wieder die Stimmung. Vor allem im Sommer war die Verunsicherung an den Märkten groß – Trumps Handelskrieg gegen China sei Dank. Wer wagt in einem solchen Umfeld schon den Schritt aufs Parkett? Und im Herbst, alles es auf einmal wieder lief, weil Sorgen und Ängste scheinbar verflogen waren? Da war es schlicht zu spät, denn so ein Börsengang wird natürlich länger geplant und vorbereitet.

Die Pipeline an Börsenkandidaten ist auf jeden Fall gut gefüllt. Zu den möglichen Erstnotizen zählen die Experten von Kirchhoff Consult die Aufzugssparte von Thyssen-Krupp, die Siemens-Sparte Energy und den Wohnmobilbauer Hymer. Deshalb dürfte 2020 auch wieder ein besseres Jahr für Börsengänge werden. Und wahrscheinlich wird auch die Zahl der Aktionäre wieder ein wenig zugelegt haben. Steigende Kurse ziehen nämlich an – Privatanleger und IPO-Kandidaten.

Foto: kenary820 / Shutterstock

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