Nasdaq 100: Die Rally der Tech-Werte scheint überhaupt keine Grenzen mehr zu kennen – Wie viel Gefahrenpotenzial steckt jetzt drin?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die allgemeine Markterholung seit dem Corona-Crash-Tief im März ist äußerst beeindruckend. Sowohl ein Großteil der europäischen, als auch die US-Märkte konnten die tiefe Kerbe im Kurs bis heute weitestgehend wieder kitten. Lediglich der Hang Seng und der Eurostoxx 600 schwächeln etwas mehr, doch auch hier konnte ein nicht unerheblicher Teil der Verluste bereits wieder aufgeholt werden.

Vollkommen abgekoppelt hat sich jedoch der US-Technologie-Index Nasdaq 100, der den Einschnitt nicht nur schließen, sondern zudem bereits wieder weitere Rekordhochs erobern konnte. Year to Date blickt er auf einen Zuwachs von über 20 Prozent und die Erholung seit dem Crash-Tiefpunkt im März bei etwa 6.900 Punkten beläuft sich auf mehr als 50 Prozent.

Somit hat der Index die Corona-Krise nicht nur ausgesessen, sondern mit am meisten von ihr profitiert. Warum das so ist, verrät ein Blick auf die Einzelwerte:

Tesla: Mit Blick auf die Performance seit Beginn des Jahres steht mit einem Plus von über 310 Prozent Tesla an erster Stelle. Der Elektroautobauer konnte im ersten Quartal mit guten Zahlen und einem in dieser Form bisher vielleicht einmaligen Shortsqueeze einen absoluten Höhenflug seiner Aktie sehen. Der Corona-Crash hat das Papier dann nur kurz gebremst, denn die Narrative seitdem ist, dass Tesla durch die Krise seinen Vorsprung im Wettrennen um die Elektromobilität gegenüber den traditionellen Autobauern nur noch schneller ausbauen kann. Im Vergleich zu den Konkurrenten produziert Tesla immer noch verhältnismäßig kleine Stückzahlen, heißt dass der Nachfrageeinbruch sich bei weitem nicht so schlimm auswirkt wie etwa bei dem größten Autobauer der Welt VW. Zudem konnte Tesla seinen guten Stand zuletzt mit weiteren positiven Auslieferungszahlen untermauern. Weiterer Treiber der Aktie ist die Bewertung der Technologie und der digitalen Infrastrukturen, die der Konzern bietet und die für die Zukunft der Mobilität unerlässlich sind.

Zoom: An zweiter Stelle mit einem Zuwachs von über 300 Prozent ist Zoom. Das Unternehmen konnte trotz einiger Kontroversen rund um Datenschutz einen gigantischen Kundenzulauf erfahren, da auf der ganzen Welt Millionen von Menschen ins Home Office verbannt wurden und die neue Art der Zusammenarbeit in digitalen Offices Zoom als einen maßgeblichen Baustein genutzt hat.

JD.com, Mercadolibre und Amazon: Mit die größten Profiteure des weltweiten Lockdowns waren zudem Online-Händler, denn Menschen, die Zuhause festhängen bestellen mehr, so die Narrative. Das da etwas dran ist zeigen die Zuwächse dieser drei Unternehmen seit Jahresbeginn von 80 Prozent und mehr.

Netflix: Ein weiterer Profiteur mit einem Plus von 75 Prozent Year to Date ist Netflix, dessen Angebot augenscheinlich von sehr vielen Menschen während des Lockdowns zum Zeitvertreib genutzt wurde. Auch hier logisch nachvollziehbar.

Wie weit kann die Euphorie noch gehen?

Weitere Profiteure, die im Nasdaq gelistet sind und für den Höhenflug gesorgt haben, sind Cloud-Anbieter wie Microsoft, oder weitere Unterhaltungs-Werte wie der Spielehersteller Activision Blizzard, aber auch Software-Provider wie Adobe. Alle bieten Dienstleistungen an, die stark von den durch die Krise geänderten Gewohnheiten der Menschen verstärkt nachgefragt wurden.

Aufgrund dieser Tatsache ist es aus Investmentsicht nachvollziehbar, dass gerade diese Werte eine extrem gestiegene Nachfrage verzeichnet haben – viele Anleger haben die durch die Corona-Krise entstandenen oder verstärkten Trends erkannt und haben die Initiative ergriffen.

Doch die Frage ist, wie weit sich der Nasdaq-Index durch den starken Kapitalzufluss mittlerweile von der Realität entkoppelt hat und wie realistisch die Bewertungen der Unternehmen trotz der nachvollziehbaren Investmentargumente noch sind. Seit dem Corona-Tief am 23. März haben sich sechs Werte innerhalb des Index um mehr als 100 Prozent steigern können, während ganze 44 Titel um 50 Prozent zulegen konnten. Es drängt sich geradezu die Frage auf, wann ein Rücksetzer kommen wird und wie tief er sein wird.

Aufgrund der fundamental gerechtfertigten Erwartung, dass die Krise die Digitalisierung beschleunigen wird und damit die Nasdaq-Titel weiter profitieren werden, sowie der hinzukommenden Notenbankschwemme, die die Finanzmärkte flutet und einen zusätzlichen Kurstreiber darstellt, ist die Chance auf einen Crash-artigen Rücksetzer weniger wahrscheinlich. Dennoch blickt man beim Nasdaq auf eine Rally, die im Ansatz bereits die Züge einer Blase annimmt und auch mit viel Optimismus aufgrund der genannten Argumente nicht komplett mit fundamentalen Gründen gerechtfertigt werden kann. Der Faktor eines von (aufgrund der Geldpolitik in Teilen künstlicher) Liquidität getriebenen Marktes und der Hype um Technologie-Werte, die besonders von der derzeitigen Lage profitieren, gibt durchaus Potenzial für eine jederzeit einsetzende Korrektur.

Der Markt wird im wesentlichen von 5 gigantischen Unternehmen angetrieben

In diesem Umfeld muss man sich eines weiteren Punktes bewusst werden: Der Markt wird in wesentlichen Teilen von gerade einmal fünf gigantischen Konzern angetrieben, die mittlerweile eine extreme Marktkapitalisierung von fast 7 Billionen Dollar auf sich vereinen (und auch alle im Nasdaq 100 zu finden sind). Die Rede ist von Apple (1,6 B), Microsoft (1,5 B), Amazon (1,5 B), Google (1,1B) und Facebook (0,7 B). Um sich deutlicher vor Augen zu führen wie viel das ist: Der gesamte Dax vereint eine Marktkapitalisierung von 1,25 Billionen Dollar auf sich, also nur etwas mehr als Google und weniger als die drei größten Konzerne Apple, Amazon und Microsoft.

Wie der Analyst und Betreiber der Finanzseite Wolfstreetblog, Wolf Richter, in einem seiner jüngsten Artikel aufgezeigt hat, sind diese fünf Unternehmen in den letzten 3 Jahren maßgeblich für die Entwicklung der Aktienmärkte gewesen. Zur Veranschaulichung zieht er den Wilshire 5000 Total Market Index heran.

Der Wilshire 5000 ist ein Kursindex, in dem alle US-amerikanischen Aktiengesellschaften der New York Stock Exchange, der Nasdaq und der NYSE gelistet sind. Die Nebenwerte stellen 72 Prozent an den mehr als 5.000 notierten Unternehmen im Wilshire 5000, besitzen aber nur einen Anteil von zwölf Prozent an der gesamten Marktkapitalisierung des Index. Der Indexstand wird ausschließlich auf Grund der Aktienkurse ermittelt und nur um Erträge aus Bezugsrechten und Sonderzahlungen bereinigt. Die Gewichtung erfolgt nach der Marktkapitalisierung der gelisteten Unternehmen.

Laut Richter machen die „Großen 5“ seit in der Entwicklung von 2017 bis heute nun mehr als 20 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des Index aus. In dieser Zeit ist ihre  Marktkapitalisierung von unter 2,5 Billionen auf nun über 6,5 Billionen Dollar angewachsen – und dieser Zuwachs hat laut ihm den größten Teil des Kurswachstums der amerikanischen Aktienmärkte ausgemacht.

Quelle: Wolfstreetblog

Links ist das Wachstum der Marktkapitalisierung der „Großen 5“ zu sehen, der rechte Chart bildet die Entwicklung des Willshire 5000 Index ohne die „Großen 5“ ab. „Ein miserables Sparkonto hätte ohne die Giant 5 eine Outperformance gegenüber dem gesamten Aktienmarkt erzielt. Und dies ohne die schreckliche Volatilität der beiden Ausverkäufe“, so das Fazit des Analysten. Im Gegensatz dazu haben die Großen 5 separat betrachtet im selben Zeitraum um über 180 Prozent zugelegt.

Welches Fazit kann man daraus ableiten? Der gesamte Markt scheint massiv abhängig von diesen fünf Mega-Konzernen zu sein – und genauso wie sie ihn hochgezogen haben, könnte eine Korrektur dieser Werte den gesamten Markt ebenso wieder nach unten ziehen. Getriggert werden könnte dies durch die schlechten Fundamentalwerte des Gesamtmarktes. Derzeit wird an den Aktienmärkten immer noch von dem Szenario einer schnellen wirtschaftlichen Erholung und schnellen Erfolgen bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus ausgegangen. Die Bereitschaft der Notenbanken und allen voran der Federal Reserve, die Märkte weiter mit Liquidität vollzupumpen, trägt sein übriges dazu bei. Wenn allerdings die Corona-Realität durch eine Welle an Firmenpleiten, die sich bereits abzeichnet, weiteren Lockdowns, Verwerfungen am Wohnungs- und Arbeitsmarkt wegen ausbleibender Zahlungen oder auch Verzögerungen bei den Impfstoff-Bemühungen durchschlägt, dürfte sich das sehr negativ auf die Stimmung auswirken und dennoch zu Abverkäufen führen.

Da während des ersten Crashs Liquidität aus spekulativeren Assets bereits zum Teil herausgenommen wurde und ein großer Teil der Liquidität in die Nasdaq-Titel geflossen ist, könnten die Gewinnmitnahmen diesmal auch bei diesen Werten verstärkt zum Tragen kommen, falls erneut ein Szenario aufkommen sollte, bei dem es heißt, sein Kapital in Sicherheit zu bringen, so wie es im März unter der Devise „Cash is King“ der Fall war.

Von Alexander Mayer

Titelfoto: Who is Danny / Shutterstock

 (Anzeige)

Neueste exklusive Artikel