NRW-Vize-Regierungschef warnt in Corona-Debatte vor Schnellschüssen
DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Nordrhein-Westfalens Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) hat davor gewarnt, die bundesweiten Absprachen zu den Corona-Regelungen schon nach wenigen Tagen wieder "über den Haufen" zu werfen. Die Politik müsse eine gewisse Verlässlichkeit ausstrahlen, sagte Stamp am Dienstag in Düsseldorf auf die Frage nach einem schärferen Lockdown und möglichen erneuten Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angel Merkel (CDU) in dieser Woche. "Ich glaube nicht, dass das Höher, Schneller, Weiter, was Herr Söder in die Welt ruft, wirklich hilfreich ist", betonte der FDP-Politiker mit Blick auf Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU).
Er würde es sehr begrüßen, die nächsten Tage abzuwarten und genau zu analysieren, was mit welchen Maßnahmen zu gewinnen wäre. Es gebe Beschlüsse, die bis zum 20. Dezember gefasst worden seien. In NRW gebe es beim Infektionsgeschehen eine Seitwärtsbewegung. Sollten weitere Maßnahmen erforderlich werden, könnte in der Tendenz die Winterpause ein Zeitraum dafür sein. Zur Frage nach möglichen Einschränkungen im Einzelhandel sagte Stamp, man müsse sehr sorgsam abwägen. Es gelte, die Mittel so zu wählen, dass sie den möglichst geringsten Schaden für Bürger in anderen Bereichen schafften. Landesweite Kita- oder Schulschließungen werde es in NRW nicht geben.
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte zuvor bereits am Montag erklärt, Nordrhein-Westfalen setze weiter auf den engen Schulterschluss von Bund und Bundesländern. Dabei könnten Ländern mit einem besonders herausfordernden Infektionsgeschehen weitere Maßnahmen ergreifen. Er schloss zugleich aber auch eine bundesweite Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen nicht aus. "Sollte sich die Gesamtlage nicht zeitnah verbessern, erscheint auch bundesweit ein noch restriktiveres Vorgehen notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen überall deutlicher zu reduzieren", erklärte er.
Der nordrhein-westfälische Städtetag hält unterdessen weitergehende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus für erforderlich. "Dort, wo die Zahl von wöchentlichen Corona-Neuinfektionen höher als 200 pro 100 000 Einwohner ist, brauchen wir andere Maßnahmen, um die Epidemie in den Griff zu bekommen", sagte der Vorsitzende Pit Clausen (SPD), der Oberbürgermeister in Bielefeld ist, der "Rheinischen Post" (Dienstag). Für diese Super-Hotspots müsse es auch begrenzte Ausgangsbeschränkungen wie in Bayern geben. Der SPD-Oppositionsführer im Landtag, Thomas Kutschaty, hatte gefordert, in Kommunen mit extrem hohen Werten sofort mit Wechselunterricht zu beginnen.
Sieben Kreise und kreisfreie Städten sind aktuell extreme Corona-Hotspots in NRW. Nach den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstag hat der Kreis Lippe mit einem Wert von 273,4 die meisten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Aber auch Hagen (249,6), Wuppertal (212,6), Duisburg (205,1), Bielefeld (204,7), Mülheim/Ruhr (203,9) und Solingen (202,8) liegen über der Schwelle 200. Ab diesem Wochenwert hatten Bund und Länder zusätzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus verabredet. Als zu erreichender Richtwert gilt 50. Binnen eines Tages wurden von den Gesundheitsämtern in NRW an das RKI 3489 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Die Zahl der Toten stieg in NRW zugleich um 110 auf 4064./vd/DP/nas