onvista-Börsenfuchs: Börsennachrichten richtig lesen – nicht nur die Headlines

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Vorgestern erst hatte ich mich über das tägliche Überangebot an Infos für die Anleger mokiert („Manchmal sieht es so aus, als hätte es die Börse mit zu vielen Signalen in zu kurzer Zeit zu tun - und die flackern dann, statt anhaltend zu leuchten“). Dazu heute eine Fortsetzung. Die gleiche News transportiert durch zwei bekannte Weltagenturen. Sauberer Journalismus, denn alles ist richtig. Nur: Der oberflächliche Schnellleser kann zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Headline bei der Agentur A: „Chinesische Industrie schrumpft dritten Monat in Folge“. Und dann beginnt der Text so: Die chinesische Industrie schrumpft bereits den dritten Monat in Folge. Der entsprechende Einkaufsmanager-Index lag im Juli bei 49,7 Punkten, wie das Statistikamt des Landes am Mittwoch mitteilte. Er lag damit zwar höher als im Juni und übertraf auch die Analystenerwartungen leicht, blieb aber weiter unterhalb der wichtigen Marke von 50 Punkten, oberhalb der Wachstum angezeigt wird. Damit mehren sich die Zeichen, dass der Handelsstreit mit den USA Chinas Wirtschaft immer stärker trifft.

Headline bei der Agentur B: „Stimmung in Chinas Industrie hellt sich etwas stärker als erwartet auf.“ Und der Textbeginn: Die Stimmung der Einkaufsmanager in Chinas Industriebetrieben hat sich etwas stärker als erwartet verbessert. Der Stimmungsindikator für Juli sei auf 49,7 Punkte gestiegen, nach 49,4 Punkten im Monat zuvor, teilte das Statistikamt am Mittwoch in Peking mit. Analysten hatten zwar mit einem leichten Zuwachs gerechnet, waren aber im Schnitt nur von 49,6 Punkten ausgegangen. Damit liegt der Stimmungsindikator nur noch knapp unter der Wachstumsmarke von 50 Punkten. Erst bei Werten oberhalb dieser Marke gehen Experten von einem Wachstum in der Industrie der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aus.

Ja, was denn nun? Eigentlich ein harmloses Beispiel. Aber wer die Informationsinhalte oberflächlich schluckt oder gar nur über die Headlines fliegt, spart zwar Zeit, folgt dann vielleicht aber einer schiefen Interpretation.

Zufälligerweise schreibt mir vorhin ein internationaler Fondsmanager seine Gedanken zum Thema Informationen: „Gut oder schlecht, bergab oder bergauf, Bulle oder Bär - wir sind angekommen in einer neuen Welt des Investierens, in einer 50:50-Welt.“ So wird ein globales Marktumfeld beschrieben, das im Zeitalter der Tweets offenbar nichts mehr in der Waage hält. Logo, jetzt kommt der Stratege aufs  Trump-eltier der Amis. Denn der Zoll-Zoff mit den Chinesen gilt als ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Ankündigung neuer und höherer Zölle und die Wiederaufnahme der Gespräche einander abwechseln. Wie lassen sich Vermögen verwalten in einer 50:50-Welt, in der sich der Wirtschaftshintergrund in derselben Zeit um 180 Grad drehen kann, die es braucht, um eine Münze zu werfen oder 140 Zeichen zu twittern? Und was machen die Profis? Die suchen nach strukturellen Veränderungen und gucken sich an, was sich wahrscheinlich ändern wird oder nicht - unabhängig davon, was beispielweise die Tweets eines Ami-Presi auslösen können. Das ist einfacher gesagt als getan, aber nicht unmöglich. In China beispielsweise investieren sie in Bereiche, die von den Fördermaßnahmen der chinesischen Regierung profitieren können. Denn ganz gleich ob Handelskrieg oder nicht, China wird seine schwächelnde Wirtschaft stimulieren müssen.

Ach ja, meine Freunde, Ihr kommt wohl um eine eigene Meinung nicht herum.

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