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Heikle Verquickung / Kommentar zu den Tarifverhandlungen im Bankgewerbe von Anna Sleegers Frankfurt (ots) - Die aktuelle Tarifverhandlung für das private Bankgewerbe erinnert mehr und mehr an einen Familienstreit. Statt der üblichen Auseinandersetzung um Prozentpunkte und Wochenarbeitsstunden scheint diesmal der Umbau im Privatkundengeschäft der Commerzbank Dreh- und Angelpunkt der Gespräche zu sein. Dieser aus Sicht der kleineren Mitglieder des Arbeitgeberverbands (AGV) Banken fragwürdige Fokus dürfte zu einem nicht geringen Anteil auf die Personen zurückzuführen zu sein, die sich am Verhandlungstisch gegenübersitzen. Erstmals seit vielen Jahren führt nicht der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bank die Verhandlungen für die Arbeitgeber, sondern Sabine Schmittroth, Arbeitsdirektorin und Noch-Privatkundenvorständin der Commerzbank.

Zwar wird die letzte echte Bankerin in dem von McKinsey-Leuten geprägten Commerzbank-Vorstand von den Gewerkschaften für ihre Sachlichkeit und Ergebnisorientierung hoch geschätzt. Doch die Versuchung ist offenbar zu groß, die Tarifgespräche als Hebel zu nutzen, um Haustarifverträge für gut ein Dutzend geplanter Digitalzentren zu erzwingen. Nach den Vorstellungen der Commerzbank sollen diese künftig die von den Filialschließungen betroffenen Kunden betreuen. Zugleich können sie den vom Streichkonzert betroffenen Beschäftigten einen neuen Arbeitsplatz bieten, der oftmals nicht allzu weit von der bisherigen Arbeitsstelle liegt.

Zu welchen Konditionen die Servicezeiten der Digitalzentren abgedeckt werden, ließe sich über eine Konzernbetriebsvereinbarung regeln. Einen Haustarifvertrag braucht es dafür nicht. Tatsächlich kann man es der Gewerkschaft jedoch kaum verdenken, dass sie die Verhandlungen den dafür zuständigen Betriebsräten überlässt.

Immerhin war es nicht zuletzt der erfolgreiche Kampf gegen die Samstagsöffnungen der Filialen, den Verdi gegen Schmittroths Vorvorvorgänger Achim Kassow geführt hat, dem sie einen Teil des nicht nur für die Finanzbranche beachtlichen Organisationsgrads von mehr als 30% bei den nicht leitenden Angestellten der Commerzbank verdankt. Auch hat sich das Umfunktionieren der Warnstreiks zwecks Mobilisierung gegen die Großbankenfusion bereits im Rahmen der letzten Tarifrunde aus Verdis Sicht bewährt. Ob die Verquickung von Partikularinteressen für ein einzelnes Haus mit den Tarifverhandlungen für die gesamte Branche die Friedenspflicht verletzt, könnte man gerichtlich klären. So groß scheint die Not bei den übrigen AGV-Mitgliedern dann aber doch nicht zu sein.

(Börsen-Zeitung, 29.9.2021)

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