ROUNDUP/Milliarden zu verteilen: Koalition berät über Haushaltsüberschuss

dpa-AFX · Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Die Spitzen von Union und SPD haben sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum ersten Koalitionsausschuss des Jahres getroffen. Vor allem sollte es am Mittwochabend im Kanzleramt darum gehen, wie der überraschende Rekordüberschuss im Bundeshaushalt genutzt wird.

Die Koalition hat einiges zu verteilen: Im vergangenen Jahr gab es - gestützt von niedrigen Zinsen - nicht nur 13,5 Milliarden Euro mehr Einnahmen als Ausgaben. Weil die sogenannte Asyl-Rücklage nicht angezapft wurde, stehen sogar 17 Milliarden Euro zur Verfügung. Beide Koalitionspartner haben Ideen, wie der plötzliche Geldsegen verplant werden könnte: Steuerentlastungen, Investitionen in Straßen und Krankenhäuser oder Hilfen für hoch verschuldete Kommunen.

Offen war, ob es beim Treffen der Koalitionsspitzen konkrete Beschlüsse gibt. Über diese Themen wollten Merkel, die Partei- und Fraktionschefs sowie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprechen:

UNTERNEHMENSTEUERN: Die Union fordert eine Reform der Unternehmensbesteuerung zur Entlastung der Wirtschaft. Laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich die Lage deutscher Firmen im Vergleich zu anderen Ländern deutlich verschlechtert. Die Bundesregierung müsse Wachstumsimpulse setzen, damit eine Rezession verhindert werde. Die SPD will solche Entlastungen nur mittragen, wenn zugleich Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen profitieren und die Reicheren stärker zur Kasse gebeten werden.

INVESTITIONSOFFENSIVE: Die Sozialdemokraten wollen die Haushaltsüberschüsse stattdessen für Investitionen in Schulen, Straßen, Krankenhäuser und andere Infrastruktur nutzen. Sie fordern außerdem, dass Bund, Länder und Kommunen in den kommenden zehn Jahren zusätzliche 450 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Die Union verweist darauf, dass schon jetzt Rekordinvestitionen im Bundeshaushalt eingeplant sind. Noch nicht einmal dieses Geld werde von den Kommunen vollständig abgerufen.

ALTSCHULDEN: Das sieht auch die SPD - und will deswegen, dass der Bund Altschulden von 2500 besonders hoch verschuldeten Kommunen übernimmt. Nur so hätten die Gemeinden wieder die Chance, selbst zu investieren, argumentieren die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Scholz hatte vorgeschlagen, einen erheblichen Teil der kommunalen Kassenkredite in die Bundesschuld zu übernehmen. Die Union lehnt das ab: Die Verantwortung für die kommunalen Altschulden liege bei den Ländern, argumentiert sie.

SOLI: Kurz vor dem Treffen brachte die SPD die Idee ins Spiel, die Teil-Abschaffung des Solidaritätszuschlags vorzuziehen. Eigentlich soll dieser Anfang 2021 für 90 Prozent der Zahler wegfallen. Man könne die Überschüsse aber auch nutzen, um ihn schon zum 1. Juli zu streichen, so der Vorschlag. Die Union fordert eine Komplett-Abschaffung auch für die einkommensstarken Haushalte.

BONPFLICHT: Die Union drängt auf Änderungen bei der seit Jahresbeginn geltenden Kassenbon-Pflicht. Altmaier hat vorgeschlagen, Einkäufe unter zehn Euro auszunehmen. Die SPD lehnt das ab, weil sie fürchtet, dann könne Steuerbetrug nicht mehr effektiv aufgedeckt werden.

MINDESTLOHN und KURZARBEITERGELD: Esken und Walter-Borjans haben vom Parteitag den Auftrag, mit der Union über einen höheren Mindestlohn zu sprechen. Perspektivisches Ziel sollen 12 Euro pro Stunde sein. Außerdem will die SPD, dass ein von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegtes Gesetz zum Schutz von Arbeitnehmern in Konjunkturkrisen möglichst schnell kommt. Damit wird unter anderem der Einsatz von Kurzarbeitergeld erleichtert.

LANDWIRTSCHAFT: Vor allem die CSU fordert eine Reaktion auf Proteste tausender Bauern, die gegen schärfere Düngeregeln mobil machen. Dabei ist der Handlungsspielraum aber begrenzt. Weil Nitratwerte im Grundwasser zu hoch sind, hat die EU-Kommission Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Berlin muss weitere Beschränkungen angehen, sonst drohen hohe Strafzahlungen.

GRUNDRENTE: Wenig Fortschritt ist beim Streitthema Grundrente zu erwarten. Zwar geht Merkel davon aus, dass der Streit bald gelöst wird, es gibt aber noch größeren Diskussionsbedarf. Die Unionsfraktion hatte Scholz und Heil zuletzt aufgefordert, verbesserte Vorschläge vorzulegen, sogar eine Verschiebung des Projekts stand im Raum./tam/DP/he

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