Saxo-Bank Analyst: Deutschland könnte Ende 2019 in die Rezession geraten und das könnte letzten Endes gut für Europa sein

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Spätestens seit dem dritten Quartal 2018, als die Wachstumskurve eine Delle verzeichnen musste und im folgenden vierten Quartal nur leicht wieder nach oben gegangen ist, hat auch Deutschland mit dem haarscharfen Vorbeirutschen an einer technischen Rezession die Aufmerksamkeit der Wirtschaftsanalysten geweckt.  Warum für Deutschland die Risiken einer kommenden Rezession spätestens im vierten Quartal 2019 jedoch hoch sind und warum das letzten Endes sogar gut für die europäische Wirtschaftszone sein könnte, hat Steen Jakobsen, Chef-Ökonom und führender Investment-Analyst der dänischen Saxo Bank, im Gespräch mit dem US-Nachrichtendienst CNBC erläutert.

Laut Ansicht des Analysten könnte Q4 2019 eine Schlüsselperiode in der wirtschaftlichen Evolution Europas werden und Deutschland sieht er dabei als entscheidendes Element. Traditionell als Wachstumsmaschine in Europa angesehen, hat Deutschland seit der Eurokrise 2011 auf straffe Sparprogramme beharrt, vor allem um die kriselnden südeuropäischen Wirtschaftszonen wieder auf Vordermann zu bringen. Seitdem Deutschland jedoch eigenen wirtschaftlichen Nöten entgegenblickt, könnte die politische Riege in Berlin aus Sicht von Jakobsen bald anfangen, massiv zu investieren und Geld in die Hand zu nehmen und damit das ökonomische Umfeld ganz Europas radikal ändern.

Jakobsen sieht einige Schlüsselereignisse im Schlussquartal dieses Jahres

Vor allem die anstehende Europa-Wahl im Mai und die Gefahr des Aufstiegs weiterer populistischer Parteien, sowie der eventuelle baldige Abgang von Angela Merkel als Kanzlerin und ein Wechsel in der Chefetage der Europäischen Zentralbank könnten die anstehenden Veränderungen verstärkt vorantreiben.

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„Wir glauben, dass jede Veränderung auf Makro-Ebene von einer wirtschaftlichen Krise oder ähnlichem Zusammenbruch ausgeht, daher sehen wir die Jahre 2019 und 2020 als Schlüsseljahre für Europas wirtschaftliche Evolution. Deutschland und Europa als ganzes sind auf wirtschaftlicher Ebene in den letzten Jahren zu selbstgefällig gewachsen. Die neue Realität ist, dass es notwendig für Berlin sein wird, die eigenen Geldflüsse massiv zu erweitern, um damit ganz Europa Beihilfe zu geben. Alles in allem wird aus dem momentan immer fragmentierteren Europa eine neue gemeinsame Basis entstehen“, schrieb die Saxo Bank in ihrem zuletzt veröffentlichten Quartalsausblick.

Der Wachstumsrückgang stand im Zusammenhang mit den Umbrüchen der Autoindustrie, die einer der Hauptwirtschaftsmotoren Deutschlands ist. In Kombination mit der gesunkenen globalen Nachfrage geriet dieser Motor ins stocken.

Seit Jahren weist Deutschland die größten Überschüsse auf, ausgehend von seiner stark auf Exporten ausgerichteten Wirtschaft. Das Risiko der US-Straffzölle auf deutsche Autos im Zuge des Streits um diese Überschüsse hat das Selbstbewusstsein der Industrie jedoch geschädigt. Deutschland wurde immer wieder dafür kritisiert, dass die massiven Überschüsse nicht in Infrastruktur und die Öffentlichkeit investiert werden.

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Risiken für eine Rezession bis zum Ende des Jahres hoch

Jakobsen glaubt jedoch, dass der „Zusammenbruch des deutschen Wachstums“ jetzt im Scheinwerferlicht steht und es selbst ohne die drohenden Strafzölle auf Autoexporte seitens der US-Regierung  ein großes Risiko für eine Rezession in Q4 2019 gebe.

„Wir glauben, dass die wirtschaftliche Verlangsamung in Deutschland, das immer noch in der Industrie 3.0 festhängt, und der entstehende Streitkorb nach der EU-Wahl im Sommer zu einem verzweifelteren Europa führen wird. Aber daraus wird auch selbst ein Prozess in Gang gesetzt, in dem Deutschland lieber Teil der Lösung wird, als weiter den Kampf um Sparprogramme versus Geldpolitik der EZB im Sinne der südeuropäischen Länder zu führen“, äußerte sich Jakobsen gegenüber CNBC.

Nach Meinung des Analysten ist ein Umschwenken, weg vom Sparen und hin zum Investieren für Deutschland unumgänglich, da die weitere Schwächung des Welthandels  sich besonders negativ auf, auf Export orienterte, Wirtschaftszonen wie Deutschland und die EU als ganzes auswirkt.

Bewegung ist jedoch bereits auf Unternehmensebene zu erkennen. Die Autoindustrie als stärkstes Zugpferd rüstet derzeit massiv auf und investiert Milliardenbeträge in die Zukunft der Mobilität. Der Fokus liegt auf Elektromobilität und Servicedienstleistungen, die weg gehen von dem reinen Verkauf von Pkws.

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Onvista-Redaktion

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Titelfoto: Who is Danny / Shutterstock

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