Streit um Zukunft von Daimler-Werken in E-Auto-Ära

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Frankfurt (Reuters) - Bei Daimler verschärft sich der Streit um Arbeitsplätze in Deutschland angesichts des steigenden Drucks durch die Corona-Krise und das mögliche Ende des Verbrennungsmotors im kommenden Jahrzehnt.

Der Gesamtbetriebsrat sagte am Freitag jüngst bekannt gewordenen Plänen den Kampf an, bei den verbrennerabhängigen Teile- und Motorenwerken in Untertürkheim und Berlin zusammen 5000 Stellen abzubauen. Den deutschen Werken drohe ein "Kahlschlag", weil Daimler nicht mehr in konventionelle Antriebe in Deutschland investieren und stattdessen Fertigung nach Osteuropa verlagern oder an Zulieferer abgeben wolle, hieß es in einer Information des Betriebsrats an die Beschäftigten, die Reuters vorlag. "Solche harten Schritte rauben uns die notwendige Zeit, die wir für eine faire Gestaltung der Transformation benötigen. Dies können wir so nicht akzeptieren", erklärten Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht und sein Stellvertreter Ergun Lümali.

Der Stuttgarter Autobauer will rund zwei Milliarden Euro an jährlichen Personalkosten einsparen. Wieviele Arbeitnehmer dafür gehen müssen, wurde in den Verhandlungen mit Betriebsräten nicht festgelegt. Schon länger läuft ein Abfindungsprogramm für freiwilliges Ausscheiden. Auch die Altersfluktuation kann einen Teil des notwendigen Abbaus auffangen. "Wir haben keine Zahlen genannt", sagte Entwicklungs- und Produktionschef Markus Schäfer mit Blick auf die Fabriken in Untertürkheim und Berlin bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. "Am Ende wird die Veränderung mit geringerem Arbeitskräftebedarf einhergehen", räumte er jedoch ein. Schäfer widersprach jedoch Aussagen der Arbeitnehmervertreter, nach denen das Motorenwerk in Berlin-Marienfelde mit seinen 2500 Beschäftigten ganz geschlossen werden soll. "Aus heutiger Sicht ist es nicht der Plan, das Werk zu schließen." Er bestätigte aber, dass die Fertigung des 6-Zylinder-Dieselmotors dort im kommenden Jahr auslaufen wird.

Schäfer machte zugleich klar, dass Mercedes-Benz in den Jahren mit starkem Wachstum bewusst Produktion in Osteuropa oder China angesiedelt hat, um mit einer "Mischkalkulation" der deutschen Hochlohnstandorte mit günstigeren im Ausland die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Kein Werk könne deshalb davon ausgehen, für immer den Personalstand zu halten.

"GNADENLOSE BRUTALITÄT"

Die Betriebsräte befürchten aber, dass Daimler beim Strukturwandel jetzt aufs Gas tritt, weil neben der Corona-Krise auch durch eine Verschärfung der CO2-Abbauziele für die Autoindustrie in Europa der Zeitdruck wächst. Für die Umstellung vom Verbrennungsmotor zu Elektroautos müssten Mitarbeiter umgeschult werden oder alternative Beschäftigung finden, das brauche Zeit. Sollte die fehlen, könnten große Teile der Industriearbeitsplätze in Deutschland "mit gnadenloser Brutalität" wegfallen. Das Unternehmen fordern sie auf, seiner sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. "Neue Konzepte sind gefragt", mahnte der Betriebsrat. Die Politik müsse den Strukturwandel abfedern, indem sie sich nicht nur auf Batterieautos fixiert, sondern auch synthetische Kraftstoffe fördert, auf die Verbrennerautos leicht umgerüstet werden können.

Die Montagewerke müssten sich vorerst keine Sorgen machen, Stellen in den kommenden Jahren zu verlieren. "Wir gehen derzeit von keinem Einfluss auf die Beschäftigung aus", sagte Schäfer. Die Aufbauwerke seien voll ausgelastet. Sie müssten aber im Rahmen der bestehenden Personalstärke andere Wege zu Kosteneinsparungen finden.

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