Überraschend starke Firmenbilanzen schieben Europas Börsen an

Reuters · Uhr

Frankfurt (Reuters) - Ermutigende Unternehmenszahlen und aufgehellte Konjunkturaussichten sorgen an den europäischen Aktienmärkten für Rückenwind. Der Dax legte am Mittwoch bis zu 1,1 Prozent auf 13.988 Zähler zu und blieb damit nur knapp unter der 14.000er-Marke.

Der EuroStoxx50 stieg in der Spitze um 1,2 Prozent auf 3633 Punkte. In Kauflaune versetzte die Anleger auch die Aussicht auf ein Ende der Regierungskrise in Italien durch den früheren EZB-Chef Mario Draghi. "Eine Regierung unter Draghi könnte die aktuellen wirtschaftlichen Probleme schnell angehen und schnell eine Lösung im Streit über die Verteilung der europäischen Hilfsgelder finden", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Zeitaufwendige Neuwahlen wären damit vom Tisch.

Italiens Präsident Sergio Mattarella bestellte Draghi noch für Mittwoch zu Gesprächen ein. Marktteilnehmer erwarteten, dass das Staatsoberhaupt den ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank bitten werde, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Auch wenn es von Draghi zunächst keine Reaktion gab, werteten Anleger die Aussicht, dass er das Ruder übernehmen könnte, positiv.

In Mailand zog der Leitindex FTSE MIB zwei Prozent an. Gefragt waren vor allem Bank-Titel. Die Aktien der italienischen Institute Unicredit, Banco BPM und Intesa kletterten zwischen 4,1 und 5,1 Prozent. Zugleich sanken Italiens Kreditkosten: Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen fiel um acht Basispunkte auf 0,58 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Wochen.

KAESER VERABSCHIEDET SICH MIT PROGNOSEANHEBUNG

Auf Unternehmensseite überraschte Siemens mit einer deutlichen Anhebung der Umsatz- und Gewinnprognosen. Trotz der Corona-Pandemie florierte das Geschäft des Müchner Industriekonzerns im abgelaufenen Quartal von Oktober bis Dezember, vor allem in China, aber auch in Deutschland. Dabei half die unerwartet rasche Erholung in der Autoindustrie und im Maschinenbau. Wegen der Corona-Beschränkungen gab Siemens zugleich für Dienstreisen fast zwei Drittel weniger aus. Damit kann Roland Busch als Nachfolger von Joe Kaeser an der Siemens-Spitze mit Rückenwind ans Werk gehen. Siemens-Aktien zogen knapp zwei Prozent an.

Für Rückenwind sorgten auch die nachbörslichen Quartalsberichte der US-Konzerne Alphabet und Amazon. "Natürlich sind die Tech-Giganten kein Spiegelbild für den Gesamtmarkt. Aber wenn zwei der größten US-Unternehmen so starke Zahlen liefern, ist das dennoch positiv", sagte Portfolio-Manager Altmann.

YELLEN SETZT BEI GAMESTOP-KURSTURBULENZEN AUF AUFSEHER

In Frankfurt machte die GameStop-Aktie anfängliche Kursverluste im Handelsverlauf in großen Teilen wieder wett. In den USA zogen die Titel des US-Videospielehändlers vorbörslich rund zwölf Prozent an. An der Wall Street waren die Papiere zuvor 60 Prozent tiefer aus dem Handel gegangen, nachdem die Titel in den vergangenen Wochen zeitweise mehr als 2000 Prozent zugelegt hatten. Mit konzertierten Käufen hatten Kleinanleger Hedgefonds zur Auflösung von Wetten auf den Verfall des Gamestop-Kurses gezwungen. "Die Blase ist damit geplatzt und dürfte einige unerfahrene Anleger mit in den Abgrund gerissen haben", sagte Analyst David Iusow vom Brokerhaus DailyFX.

In den USA haben die Börsenturbulenzen um GameStop die neue Finanzministerin Janet Yellen auf den Plan gerufen. Sie hat die obersten Aufseher der Wall Street zu einem Treffen in dieser Woche zusammengerufen. Einige Marktakteure fürchten, dass die Kurskapriolen die Stabilität der Finanzmärkte gefährden könnten.

Der Silberpreis notierte wenig verändert bei 26,63 Dollar je Feinunze, nachdem der Preis des Edelmetalls am Vortag rund acht Prozent abgerutscht war. "Die Silberpreise finden nun ein Gleichgewicht, das die Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage besser widerspiegelt, da sich die WallStreetBets-Manie beruhigt hat", sagte Marktanalyst Han Tan. Zum Wochenanfang war der Silberpreis durch einen massiven Anstieg von Käufen in Anleger-Foren auf ein Acht-Jahres-Hoch von 30,03 Dollar gestiegen.

"Dass das jüngste Tauziehen zwischen Privatanlegern und Hedgefonds wieder von der Hauptbühne rückt, sorgt für Entspannungssignale an den globalen Finanzmärkten", sagte Analyst Timo Emden von Emden Research. "Die Reddit-Community hatte sich offensichtlich mit dem Silberpreis übernommen und sich mit dem Falschen angelegt." 

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