Wird aus „Stagflation“ jetzt „Inflession“? – Märkte atmen nach US-Verbraucherpreisen etwas auf – aber ist das Thema damit schon vom Tisch?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Bislang war „Stagflation“ eine der größten Sorgen der Anleger. Der Wort-Mix aus Stagnation und Inflation bedeutet, dass ein hohe Inflation zu einer Stagnation der Wirtschaft führt. Mittlerweile befürchten einige Experten aufgrund der hohen Inflation aber nicht mehr nur noch eine Stagnation der Wirtschaft, sondern das Abrutschen in eine Rezession. Damit müssten jetzt die Wörter Inflation und Rezession miteinander verbunden werden. Unser Vorschlag: „Inflession“

Deutschland auf dem Weg in eine Rezession?

Der ZEW-Index, dass Barometer für die Einschätzung zur deutschen Wirtschaft in den nächsten sechs Monaten fiel im April um 1,7 auf minus 41 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) heute in seiner monatlichen Umfrage unter 163 Analysten und Anlegern mitteilte. „Die Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage schlecht ist und sich noch weiter verschlechtern wird“, erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach.

Ein kleiner Lichtblick sei der Rückgang der Inflationserwartungen. „Die Aussicht auf eine Stagflation in den kommenden sechs Monaten besteht jedoch nach wie vor“, sagte Wambach mit Blick hohe Verbraucherpreise und schwache Konjunktur.  Einige Experten sehen die Lage aber etwas dramatischer. Für sie ist eine „Inflession“ durchaus möglich. „Deutschland droht eine Rezession“, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. „Massive Verspannungen bei den internationalen Lieferketten, explodierende Inflationsraten und steigende Zinsen sprechen für eine deutliche konjunkturelle Abkühlung.“ Es bleibe zu hoffen, dass die Verbraucher nach den Corona-Lockerungen wieder mehr konsumierten, ergänzte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Käme es zu einer Energiekrise, wären eine Rezession und Arbeitsplatzverluste unvermeidbar.“

Rezession in der USA?

Es gibt auch nicht wenige Experten die aufgrund der neuen Politik der amerikanischen Notenbank befürchten, dass die größte Volkswirtschaft der Welt aufgrund der Bekämpfung der hohen Inflation in eine Rezession abrutschen könnte. Als erstes großes Finanzinstitut malt heute die Deutsche Bank dieses Szenario an die Wand. Die Ökonomen des Dax-Konzerns gehen davon aus, dass die Ausbreitung der Inflation und die erforderlichen Zinserhöhungen zu ihrer Bekämpfung die USA im Jahr 2023 wahrscheinlich in eine Rezession stürzen dürften. In einer Mitteilung an ihre Kunden, die CNBC heute zitiert, rechnen die Experten damit, dass eine Inflationsrate von rund 8 Prozent die amerikanische Notenbank zu einer aggressiven Straffung ihrer Geldpolitik bewegen wird.

Der Wechsel in der Geldpolitik führt dann zu einer „moderaten“ Rezession in den USA: „Die US-Wirtschaft wird bis Ende nächsten Jahres und Anfang 2024 schwer getroffen werden  von der zusätzlichen Straffung der Geldpolitik durch die Fed. Wir sehen zwei negative Wachstumsquartale und einen Anstieg der US-Arbeitslosenquote um mehr als 1,5 Prozentpunkte. Eine Entwicklungen, die eindeutig als Rezession gilt, wenn auch als moderate“, so die Experten in einer Mitteilung an die Kunden.

Deutsche Bank mit ihrer Meinung nicht alleine

Der Top-Stratege David Roche, Präsident des Beratungsunternehmens Independent Strategy, hat auf CNBC davor gewarnt, dass die Wirtschaft in eine „Kriegszession“ eintritt und dass die Märkte dies unterschätzen. „In einer normalen Rezession gehen Produktion und Nachfrage zurück, die Inflation geht zurück. In dieser Art von Rezession, einer „Kriegszession“, haben sie tatsächlich eine Produktion, die gleichzeitig mit steigenden Kosten und steigender Inflation sinkt“, sagte Roche vergangenen am Freitag gegenüber CNBCs „Squawk Box Europe“. Sein Tipp: „Ich würde alles halten, was mit Rohstoffen zu tun hat. Ich würde immer noch alles halten, was mit Energie zu tun hat und ich würde Gold halten. Der Großteil meines Portfolios wäre so nah wie möglich an diesen Vermögenswerten dran“, so Roche.

JPMorgan rät zu Gewinnmitnahmen bei US-Aktien 

Der Top Stratege der amerikanischen Bank, Marko Kolanovic, hat in einer Mitteilung an die Kunden dazu geraten die Gewinne bei US-Aktien zu realisieren. Die durch den Ausverkauf im Februar und März geschaffene Kaufgelegenheit für US-Aktien ist für den Experten verblasst. Die Märkte hätten einen Großteil ihres Ausverkaufes wieder wett gemacht und jetzt würden die Risiken in Bezug auf Geopolitik, Straffung der Geldpolitik und Wachstum der Wirtschaft wieder höher gewertet. Sein Tipp: Auch Kolanovic rät zum Halten von amerikanischen Energie- und Rohstoffwerten. Dazu sollten sich die Anleger außerhalb der USA umsehen, um mehr Aufwärtspotenzial zu finden. Sein erster Blick geht dabei Richtung China.

Aufatmen nach heutigen Inflationsdaten 

Die amerikanischen Verbraucherpreise für den März sind im Vergleich zum Vormonat um 1,2 Prozent angezogen und auf Sicht von einem Jahr beträgt die Steigerung 8,5 Prozent, teilte das Arbeitsministerium am Dienstag mit. Damit lag die Steigerung der Inflationsrate etwas über den Erwartungen der Experten, die hatten mit einem Anstieg von 8,4 Prozent gerechnet. Obwohl die Steigerung über den Schätzungen lag, atmen die Märkte auf. Der Dax verringert seine Verluste weiter, die US-Indizes starten nach einem vorbörslichen Minus jetzt im Plus und die Rendite für 10-jährige Staatsanleihen ging etwas zurück. Die Experten richteten ihren Blick vor allen Dingen auf den Kernwert der Verbraucherpreise. Er schließt Lebensmittel- und Energiepreise aus. Dieser stieg im März im Vergleich zum Vormonat nur  um 0,3 Prozent und lag damit unter der Konsensschätzung der Ökonomen. Die hatten mit einer Steigerung von 0,5 Prozent gerechnet. Im Jahresvergleich zogen die Kernpreise um 6,5 Prozent an. Das der Kernwert nicht mehr so stark anzieht wird als Zeichen gewertet, dass die Inflation langsam ihren Höhepunkt erreicht hat. Daher die Kurszuwächse an den Märkten.

Das Thema Rezession dürfte damit aber noch nicht vom Tisch sein. Anfang Mai wird die Fed ihren nächsten Zinsschritt verkünden und dann könnte das Wortspiel „Inflession“ ganz schnell wieder in aller Munde sein. Anleger sollten daher weiterhin nur vorsichtig im aktuellen Marktumfeld agieren.

Schauen Sie zu dem Thema auch einmal in unser YouTube-Format Mahlzeit rein. Neben Rohstoffwerten biete sich auch noch eine weitere Branche als „sicherer Hafen“ in diesen unruhigen Zeiten an.

onvista Mahlzeit: Braut sich an den Märkten was zusammen? – Deutsche Bank, Evotec, Mutares und Konkurrent von Nel mit herben Kursrücksetzer

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Von Markus Weingran mit Material von Reuters

Foto: Noska Photo / Shutterstock.com

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