Wirecard: Langweilig wird es nicht – Sammelklage aus den USA droht

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Anleger, die aktuell bei Wirecard investiert sind, brauchen wahrlich starke Nerven. Die Aktie scheint weit davon entfernt zu sein mal wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Heute geht es wieder über 4 Prozent in die Tiefe. Die Marke von 100 Euro ist erneut gefallen. Es droht neuer Ärger aus Amerika: Eine Klage ist schon eingereicht worden und die amerikanischen Kanzleien rühren gerade die Werbetrommel für weitere Sammelklagen gegen den Bezahldienstleister aus Aschheim.

Chart Wirecard – Intraday bis 12:00 Uhr

Droht Wirecard ein gerichtliches Nachspiel?

Nach Kursturbulenzen und Berichten über mögliche Bilanzierungsverstöße droht dem Zahlungsdienstleister Wirecard rechtlicher Ärger in den USA. Die ersten Sammelklagen wegen angeblicher Verstöße gegen Wertpapiergesetze wurden bereits eingereicht, weitere könnten schnell folgen. Mehrere US-Kanzleien haben in den vergangenen Tagen Aufrufe gestartet, um von Kursverlusten betroffene Anleger als Mandanten zusammenzutrommeln. Wirecard war bis zum Dienstagabend nicht für ein Stellungnahme zu erreichen.

Nach VW jetzt Wirecard im Visier

Unter den Anwaltsfirmen, die das Dax-Unternehmen ins Visier nehmen, ist auch die bekannte US-Kanzlei Hagens Berman, die schon etlichen anderen Konzernen wie etwa Volkswagen im „Dieselgate“-Skandal zu schaffen machte. „Wir konzentrieren uns auf Verluste von Investoren, das Ausmaß, in dem die Unternehmensführung an Luftbuchungen beteiligt gewesen sein könnte, und die Frage, ob Anleger womöglich in die Irre geführt wurden“, teilte Hagens-Berman-Partner Reed Kathrein mit.

Viele Stellen um Aufklärung bemüht

Berichte der „Financial Times“ (FT) über Vorwürfe wegen angeblicher Kontomanipulationen und Dokumentenfälschungen gegen einen Wirecard-Mitarbeiter in Singapur hatten die Aktie zuletzt wiederholt kräftig unter Druck gebracht. Das Unternehmen hat interne und externe Untersuchungen eingeräumt. Allerdings habe die „FT“ nur einen frühen Stand veröffentlicht, es habe keine schlüssige Feststellung eines Fehlverhaltens gegeben. In Singapur untersuchen die Behörden den Fall, und auch die Staatsanwaltschaft München hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen der Kursturbulenzen eingeleitet.

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Klage in Los Angeles bereits eingereicht

In den USA prüfen derzeit mindestens fünf weitere Kanzleien Sammelklagen gegen das Dax-Unternehmen aus Aschheim bei München. Die erste Klage im Namen eines Anlegers, der sich durch irreführende oder falsche Angaben von Wirecard geschädigt sieht, wurde bereits am vergangenen Freitag bei einem Bundesbezirksgericht in Los Angeles eingereicht. Neben dem Unternehmen sind in der Klageschrift auch Wirecard-Manager wie Vorstandschef Markus Braun als Beschuldigte aufgeführt.

Ausgang völlig offen

Die Aktien von Wirecard sind zwar im deutschen Leitindex Dax gelistet, was die Brisanz von US-Klagen mindert. Allerdings gibt es verschiedene Wertpapiere, die als Platzhalter etwa in Form von Aktienhinterlegungsscheinen am US-Kapitalmarkt gehandelt werden. Deshalb könnten dem Unternehmen dort theoretisch durchaus unangenehme und langwierige Verfahren drohen. Zunächst muss sich jedoch zeigen, wie viele der Kanzleien ernst machen und ob die zuständigen US-Gerichte entsprechende Sammelklagen gegen Wirecard zulassen.

Neue Unsicherheit

Wie Anleger auf möglicherweise hohe Schadensersatzforderungen reagieren ist sehr einfach am Kurs von Bayer abzulesen. Die Leverkusener sind in den USA über 9000 Klagen wegen dem Unkrautvernichter Glyphosat ausgesetzt. Die Höhe der drohenden Schadensersatzforderungen dürfte bei Wirecard sicherlich in einer deutlich kleineren Dimension liegen, allerdings kann sich das ganze Verfahren ganz schön in die Länge ziehen und die Aktie damit zumindest bei ihrer Erholung ausbremsen.

Hohe Volatilität weiteres Problem

Ein Händler wies auf die Folgen der extremen Volatilität hin, die die Aktie für Anleger zuletzt „nahezu uninvestierbar“ gemacht habe. An der Eurex beispielsweise seien die Prämien für Absicherungen „geradezu explodiert“. Aus Sicht des Risiko-Managements eines Brokers seien die Papiere gegenwärtig kaum noch handelbar.

Analyst Antonin Baudry von der Investmentbank HSBC hatte am Vortag ein um 70 auf 170 Euro gesenktes Kursziel für die Wirecard-Aktie vor allem mit der hohen Volatilität begründet. Diese erschwere die Lage potenzieller neuer Käufer. So habe sich das durchschnittliche Beta der Aktie der vergangenen 52 Wochen als Gradmesser der Schwankungsanfälligkeit im Vergleich zum Gesamtmarkt zuletzt von 1 auf 2 verdoppelt.

Von Markus Weingran

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Foto: kurhan / Shutterstock.com

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